Zwischen Leidenschaft und Liebe
natürlich gewonnen«, erwiderte er mit funkelnden Augen.
Claire lachte, und für einen Moment waren sie sich nahe. Freundschaft, dachte Claire. Trotz einiger Vorkommnisse, an die sie lieber nicht erinnert werden wollte, wurden sie allmählich zu echten Freunden.
»Ich habe dir Dinge erzählt, die ich bisher noch keinem erzählt habe«, sagte sie leise. »Ich habe dir das Geheimnis meiner Mutter verraten und Meinungen, die ich bisher noch niemandem offenbarte.« Sie schwieg eine Weile. »Reichtum ist keine leichte Bürde. Es war nicht einfach, als Enkelin des >Commanders< aufzuwachsen. In meinem Leben . ..« Sie hielt inne und hob die Hand. »Ich weiß, ich weiß - du wirst sagen: in deinem so kurzen Leben. Es stimmt, daß ich nicht sehr alt bin, aber ich habe sehr bewußt gelebt. Meine Eltern sind nicht...« Sie suchte nach einem Ausdruck, der sich nicht wie eine Beschwerde anhörte.
»... immer so erwachsen gewesen, wie du es gern gesehen hättest«, kam ihr Trevelyan zu Hilfe.
»Ja, ganz genau. Es hat oft Zeiten gegeben, in denen ich das Gefühl hatte, ich wäre die Erwachsene.«
Aus allem, was Trevelyan bisher über ihre Eltern gehört hatte, hatte er den Eindruck gewonnen, daß sie die Reife von sechsjährigen Kindern besaßen. Er konnte sich vorstellen, wie sich diese reichen, verwöhnten Menschen in allen nur möglichen Belangen auf dieses junge Mädchen verließen: Zum Beispiel, daß sie jemanden heiratete, den sie sich als Schwiegersohn wünschten, damit sie das bekamen, was sie wollten. Sie hatten eine Chance im Leben bekommen, wie sie nur sehr, sehr wenigen Menschen vergönnt war, und sie sinnlos vertan. Und nun erwarteten sie von Claire, daß sie ihnen eine zweite Chance gab.
»Du hast mir von deinem Leben erzählt.«
»Ja.« Sie drehte sich um und blickte aus dem Fenster. »Es hat viele Menschen in meinem Leben gegeben, die meine Nähe suchten - aber weniger aus Zuneigung zu mir, sondern mehr aus dem Verlangen nach dem, was ich für sie darstellte.«
»Leute, die es auf dein Geld abgesehen hatten?« sagte er brutal.
»Ja, genau.«
Als sie sich nicht mehr dazu äußern wollte, versuchte er zu erraten, was sie ihm damit hatte sagen wollen. »Sollte das eine Frage an mich sein, ob ich auf dein Geld scharf bin?«
»Vielleicht«, flüsterte sie. »Ich schätze, ich werde jedesmal mißtrauisch, wenn Menschen nett zu mir sind.«
»Nur bei Harry nicht.«
Sie drehte sich zu ihm um, um ihm zuzulächeln, als er Harrys Namen erwähnte, doch im selben Moment konnte sie sich nicht mehr an Harry erinnern. Trevelyans dunkle Augen schienen das ganze Zimmer auszufüllen.
Sie sah auf die Uhr, die sie an ihrem Busen festgesteckt hatte. »Ich muß gehen. Es wird Zeit, daß ich mich zum Dinner umziehe, und ich möchte um keinen Preis die Überraschung mit dem Pferd versäumen oder die beiden alten Damen mit dem Silberbesteck.«
»Nun sag bloß nicht, daß die beiden alten Ladies noch am Leben sind!«
»Sie sind es und haben auch noch nicht die Lust am Stehlen verloren.«
Sie trat an sein Bett. »Du bist doch jetzt über den Berg, nicht wahr?«
»Ja, natürlich. Und wenn es nicht so sein sollte, habe ich ja Oman.«
»Da hast du aber eine große Hilfe! Er wollte dich einfach im Bett liegen lassen - ohne die geringste Pflege.«
»Ich muß zugeben, daß ich schon immer viel rascher gesund wurde, wenn ich mit einem hübschen Mädchen im Bett lag.«
Claire errötete bis unter die Haarwurzeln. »Du bist gräßlich. Ich möchte, daß du eine kräftige Mahlzeit zu dir nimmst und dann schläfst.«
»Jawohl, Madam«, erwiderte er in neckendem Ton.
Sie war schon an der Tür, als sie sich noch einmal zu ihm umdrehte. »Vellie, vielen Dank, daß du mein Freund bist.«
Seine Augen weiteten sich ein wenig, als sie seinen Namen aus der Kinderstubenzeit benützte, aber er äußerte sich nicht dazu. Wenn jemand einen Kranken so pflegt, wie sie es getan hatte, hatte er auch das Recht, seinen Pflegling so zu nennen, wie es ihm beliebte. Er schenkte ihr ein kleines Lächeln, und dann war sie schon aus dem Zimmer.
Claire rannte die Stufen der alten Wendeltreppe hinunter, doch im Parterre fiel ihr ein, daß sie Trevelyan hätte fragen sollen, ob er ihr eines von seinen Büchern leihen könnte. Also ging sie noch einmal hinauf und betrat sein Wohnzimmer. Oman war nirgends zu sehen, und als sie einen Blick ins Schlafzimmer warf, stellte sie fest, daß Trevelyan bereits eingeschlafen war.
Claire holte sich ein Buch aus dem
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