Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
verloren.
Ein Kind fing an zu weinen und wurde von seiner Mutter
beschwichtigt und zum Schweigen gebracht. Dann vernahm
man Atmen, Hin- und Herrutschen, Hüsteln. Jemand sprach
mit leiser Stimme, und ein anderer mit einer tieferen Stimme antwortete. Der Geruch von verbranntem Knochen war stark, doch vermischt mit einer Fülle anderer Gerüche von Lebensmitteln, die gespeichert wurden, Grasmatten, getrockneten Kräutern, und dem Geruch von Menschen, von
Füßen und Leibern und warmem Atem.
Das Lager wartete im Dunkel, hatte keine Ahnung, was auf sie
zukam.
Nicht, daß sie Angst gehabt hätten; sie waren nur ein wenig
beklommen. Eine lange Zeit schien zu verstreichen, und sie
fingen an, unruhig zu werden. Was brauchte denn so lange? Den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, hatte man dem
Mamut überlassen. Es war dem alten Schamanen zur zweiten
Natur geworden, dramatische Wirkungen zu erzielen; fast
instinktiv wußte er, wann der richtige Augenblick für etwas
gekommen war. Ayla spürte, wie ihr auf die Schulter geklopft
wurde. Das war das Zeichen, auf das sie gewartet hatte. Sie hielt
ein Stück Pyrit in der einen und einen Feuerstein in der anderen
Hand, und auf dem Boden vor ihr lag ein kleines Häufchen
Flaum – die feinen Samenfäden der Weidenröschen. In der
pechschwarzen Dunkelheit der Erdhütte schloß sie die Augen,
holte tief Atem und schlug dann mit dem Pyrit gegen den
Feuerstein.
Ein großer Funke glühte auf, und im vollkommenen Dunkel
erhellte dies winzige Licht die auf dem Boden kniende Frau
gerade lange genug, um ein erschrockenes Atemanhalten und
ehrfurchtsvolle kleine Rufe von den Lagerangehörigen
hervorzurufen – dann war der Funke erloschen. Wieder schlug
Ayla zu. Diesmal näher am vorbereiteten Zunder. Der Funke
sprang in den leicht entflammbaren Flaum, Ayla beugte sich
vor, um das Glosen mit ihrem Atem zu bestreichen, und gleich
darauf flammte es auf, und sie hörte Ahhh und Ohhh und
andere Ausrufe des Staunens.
Sie fügte kleine Schnipsel und dürre Zweige von einem neben
ihr liegenden Haufen hinzu, und als sie Feuer fingen, etwas
größere Zweige und dickeres Holz. Dann setzte sie sich zurück
und sah zu, während Nezzie Erde und Asche aus der Kochgrube
herausholte und statt dessen die brennenden Holzteile
hineintat. Den Schieber des Windkanals richtig einstellend, der
den Wind von draußen hereinholte, brachte sie die Knochen
dazu, in Flammen aufzugehen. Die Lagerangehörigen hatten für
nichts anderes Augen gehabt als für den Vorgang des
Feuermachens, und erst, als das Feuer wieder brannte, ging
ihnen auf, in wie unglaublich kurzer Zeit alles vonstatten
gegangen war. War das Zauberei? Was hatte sie getan, damit es
so schnell ging?
Talut ergriff den Sprecherstab und stieß mit dem dicken Ende
dreimal auf den Boden. »Hat jetzt noch irgend jemand
Einwände dagegen vorzubringen, daß Ayla eine Mamutoi und
Mitglied des Löwen-Lagers wird?« fragte er.
»Wird sie uns zeigen, wie sie diesen Zauber vollbringt?« sagte
Frebec.
»Sie wird es uns nicht nur zeigen, sie hat uns sogar
versprochen, jedem Herdfeuer dieses Lagers einen von ihren
Funkensteinen zu schenken«, erwiderte Talut.
»Ich habe keine Einwände mehr«, sagte Frebec.
Ayla und Jondalar durchsuchten ihr gesamtes Reisegepäck,
um sämtliche Pyritwürfel zusammenzubekommen, die sie
dabeihatten; dann wählten sie die sechs besten aus. Sie hatte am
Abend zuvor jedes der Herdfeuer neu entzündet und den
Vorgang des Feuermachens demonstriert, aber Ayla war zu
müde und es war auch zu spät gewesen, ihre Sachen noch nach
Pyrit zu durchsuchen, ehe sie zu Bett gegangen waren. Die sechs graugelben Steinwürfel mit dem Metallschimmer
bildeten auf der Bettplattform einen unbedeutenden kleinen
Haufen, und doch hatte nur einer davon den Unterschied
zwischen Akzeptiertwerden und Abgewiesenwerden für sie
bedeutet. Sah man sie jetzt vor sich, hätte niemand erraten,
welcher Zauber in der Seele dieser Steine verborgen lag. Ayla hob sie auf, nahm sie in die schalenförmig
zusammengelegten Hände und sah zu Jondalar auf.
»Wenn alle mich wollten – warum haben sie dann zugelassen,
daß eine Person das verhindern wollte?« fragte sie.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte er, »aber in einer
Gruppe wie dieser muß jeder mit jedem auskommen, denn sie
müssen miteinander leben. Es kann viel Groll entstehen, wenn
einer von ihnen eine andere Person wirklich nicht ausstehen
kann, besonders wo das Wetter alle zwingt, lange Zeit drinnen
zu bleiben. Menschen
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