01 - So nah am Paradies
bekommen." Chris spielte mit dem dünnen Goldkett- chen am Hals seiner Mutter, das ihn schon als Baby fasziniert hatte. „Sie hat geheult. Ich bin auch hingefallen, aber ich habe überhaupt nicht geheult - wenigstens nicht viel. Und Dorian wollte mich in die Waschmaschine stecken."
Alana hielt dabei inne, durch Chris' Haar zu fahren. „Wie bitte?"
„Weil doch alles voller Dreck war und ..."
Dorian unterbrach Chris' Erzähllaune, bevor die seinen Bruder in Schwierigkeiten bringen konnte.
„Ein kleiner Zwischenfall. Es ist sehr rutschig draußen."
Alana bemerkte, wie Ben Dorian einen schnellen Seitenblick in einer Mischung aus Schuldgefühl und Dankbarkeit zuwarf. „Ich verstehe." Sie glaubte es zumindest. Doch sie wusste auch, dass es besser war, die Sache nicht weiter zu verfolgen. „Das war ein großartiges Essen, Jungs, aber ich glaube, ich kann jetzt wirklich nichts mehr essen."
Dorian nahm den Saft vom Tablett und stellte ihn auf den Nachttisch. „Wollt ihr beide nicht das Tablett hinunterbringen? Ich komme sofort."
Kaum waren sie draußen, griff Dorian nach dem Thermometer.
„Dorian, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll."
„Gut." Er steckte ihr das Thermometer in den Mund. „Dann können Sie ja ruhig bleiben."
Da sie sich nicht wieder auf eine
Auseinandersetzung einlassen wollte, die nur zu verlieren war, wartete Alana geduldig, bis er ihr das Thermometer wieder aus dem Mund zog.
„Runtergegangen, stimmt's?"
„Ein Grad rauf", verbesserte er sie, zu gut gelaunt für ihren Geschmack.
Impulsiv griff Alana nach seiner Hand. „Dorian, ich bemühe mich wirklich, eine nicht zu anstrengende Patientin zu sein, aber ich schwöre, ich werde verrückt, wenn ich noch eine Minute allein in diesem Bett verbringen muss."
Er beugte sich vor. „Ist das eine Einladung?"
„Was? O nein!" Sie stieß seine Hand zurück. „Ich meinte nur ..."
„Ich habe verstanden." Er beugte sich über sie, wickelte die Decke fest um sie und hob Alana samt Decke hoch.
„Was tun Sie?"
„Sie aus dem Bett holen. Ich trage Sie hinunter und verfrachte Sie vor den Fernseher. Sonst werden Sie uns wirklich noch verrückt."
Dieses Mal wehrte sie sich nicht gegen das angenehme Gefühl, von starken Armen getragen zu werden. Heute Abend, nur heute Abend überließ sie sich einfach der Vorstellung, dass ihr jemand bei-75
stand. Sentimentalität, warnte sich Alana aber noch rechtzeitig, bevor sie den Kopf an seine Schulter legte.
„Ich danke Ihnen, dass Sie die Kinder
beaufsichtigen. Aber ich will Ihnen nichts aufbürden. Ich kann einen Nachbarn anrufen."
„Vergessen Sie es." Er sagte es gleichgültig, da er nicht eingestehen wollte, wie sehr er den Nachmittag genossen hatte. „Ich komme schon klar mit ihnen. Immerhin habe ich während des College als Rausschmeißer gearbeitet."
„Sicherlich eine hilfreiche Erfahrung", bemerkte sie halblaut. „Dorian, hat sich Chris verletzt, als Ben ihn zu Boden gestoßen hat?"
„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen."
„Natürlich wissen Sie es."
„Macht Chris einen verletzten Eindruck?"
„Nein, aber ..."
„Dann wollen Sie es doch sicherlich nicht, dass ich ein Spitzel bin?"
Sie warf ihm einen weichen Blick zu, als er sie auf der Couch im Wohnzimmer absetzte. „Männer halten wohl immer zusammen, nicht wahr?"
Ohne zu antworten, schaltete er den Apparat ein.
Höchste Zeit, dass er aus ihrer direkten Körpernähe kam. Sie war ihm auf seinen Armen so süß, so klein, so zerbrechlich erschienen. Ein Mann machte seinen größten Fehler, wenn er auf weibliche Zerbrechlichkeit hereinfiel.
„Wenn Sie etwas brauchen, wir sind in der Küche.
Männerangelegenheiten, Sie wissen schon."
„Dorian ..."
„Falls Sie mir noch einmal danken, bekommen Sie eine Tracht Prügel." Doch stattdessen beugte er sich zu ihr herunter, umfasste ihr Gesicht und küsste sie. „Kein Dank und keine Entschuldigung."
Bevor sie ihr Tun überdenken konnte, zog sie ihn an sich.
Der Kuss war nicht süß, er war nicht verzaubernd, er war fest und stark. Seit so vielen Jahren spürte Alana wieder den Geschmack eines Mannes. Und seit so vielen Jahren begehrte sie wieder. Und war es nicht wunderbar, einfach zu begehren - nicht zu denken, nicht abzuwägen, sich einfach gehen zu lassen und zu begehren?
Ihre Haut glühte, und er spürte ihr Nachgeben, das sowohl von
ihrer körperlichen Schwäche als auch von Leidenschaft herrührte. Er wollte mehr. Der eine Kuss hatte gereicht, um sein Verlangen
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