0221a - Ich kam in letzter Sekunde
Cliff.
Ihre Stimme klang ein wenig ärgerlich, als sie ihm antwortete. »Jetzt hören Sie einmal zu, Sie komischer Kauz. Sie retten mich aus einer Lage, die alles andere als konventionell ist, und nun benehmen Sie sich so steif und gezwungen, als wären Sie noch nie einer Frau begegnet, die sich einfach mit einer Gefälligkeit revanchieren möchte. Aber ich darf ihnen nicht einmal böse sein. Nach dem, was geschehen ist, müssen Sie natürlich eine falsche Vorstellung von meinem Umgang haben. Ich weiß, Sie denken jetzt an den Mann mit dem Messer und verachten mich deshalb. Sie werden mir auch nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, dass der Mann mein schlimmster Feind ist.«
»Aber, Miss Brooks«, protestierte Cliff. »Ich glaube Ihnen jedes Wort. Niemand weiß besser als ich, wie schnell man in falschen Verdacht geraten kann. Trotzdem möchte ich, dass sie mich irgendwo absetzen.«
»Ich fahre Sie nach Hause, Sie Dickkopf. Wo wohnen Sie denn?«
»Nirgehds«, murmelte er tonlos. Er hätte natürlich irgendeine Adresse erfinden können, aber er war schon immer ein schlechter Lügner gewesen.
»Irgendetwas stimmt mit Ihnen nicht«, sagte Nora Brooks und stoppte vor einem Hydranten. Und das ist in New York so streng verboten wie in England das Fußballspielen am Sonntag.
»Bitte, fahren Sie weiter«, flehte Cliff. »Wenn eine Polizeistreife…«
Sie fuhr wieder an.
»Die Polizei ist also hinter Ihnen her«, stellte sie kurz fest. »Sie sehen aber nicht wie ein Gangster aus, auch benehmen Sie sich nicht so. Was haben Sie denn angestellt? Oder darf ich das nicht wissen?«
»Ich habe gar nichts angestellt«, beteuerte Cliff. »Ich habe mich nur irrsinnig dumm benommen. Ich könnte mich zwar selber ohrfeigen, aber wenn sie mich jetzt erwischen, hängen sie mir drei Morde an.«
So, nun war es heraus. Ein Ruck des Wagens verriet, dass Nora Brooks diese Enthüllung nicht teilnahmslos aufgenommen hatte, doch gleich darauf glitt ihr Fuß wieder auf das Gaspedal. Eine halbe Meile fuhren sie schweigend dahin.
»Ich habe Ihnen gleich gesagt, Sie sollen mich aussteigen lassen«, brummte Cliff. »Lassen Sie mich doch endlich heraus. Ich mute Ihnen nicht zu, mit einem Mann im Wagen zu fahren, den alle für einen Mörder halten. Sie waren sehr freundlich zu mir, aber es ist besser für Sie, wenn Sie jetzt allein weiterfahren. Wenn uns ein Streifenwagen stoppt, bekommen Sie sogar noch Scherereien.«
Sie griff in das Handschuhfach und holte eine Packung Zigaretten heraus, die sie Cliff reichte.
»Zünden Sie mir auch eine an«, sagte Nora Brooks ruhig. »Und dann erzählen Sie mir Ihre Geschichte, wenn Sie wollen. Für einen Mörder haben Sie sich bis jetzt sehr korrekt verhalten, und vergessen Sie nicht, Sie haben mir auch einen großen Dienst erwiesen. Sie haben gewissermaßen Anspruch auf meine Dankbarkeit.«
Cliff reichte ihr eine brennende Zigarette und zündete sich auch eine an. Nach den ersten Zügen fühlte er sich ein wenig besser. Sollte er sich dem Mädchen anvertrauen? Er war froh, seine Geschichte endlich einmal so erzählen zu können, wie sie sich wirklich abgespielt hatte. Gewiss konnte ihm Miss Brooks nicht helfen, doch es würde ihn erleichtern.
Der Frazer bog ab. Zweihundertfünfzig Fuß über dem Wasserspiegel überquerten sie den Hudson River. Plötzlich schwenkte jemand vor ihnen ein rotes Lichtsignal. Instinktiv kauerte sich Cliff auf die Bodenmatte. Nora Brooks zog eine Wolldecke von der Rückenlehne und warf sie ihm zu. So gut es ging, verkroch er sich darunter. Sie hatten keine Zeit mehr, sich zu verständigen, denn im Scheinwerferlicht tauchten zwei Cops auf. Ihre schweren Motorräder waren am Rand der Fahrbahn abgestellt.
Einer von beiden trat an den Wagen heran, während der andere abseits wartete. Nora kurbelte die Scheibe herunter.
»Alles in Ordnung, Madam?«, fragte der Polizist und leuchtete mit seiner Lampe ins Wageninnere.
»Alles okay, Officer«, sagte Nora bewundernswert beherrscht. »Ich habe weder den Hope-Diamanten noch einen ausgewachsenen Atomspion bei mir. Kann ich weiterfahren?«
»Wenn’s nach mir ginge, nicht«, schmunzelte der Cop, tippte grüßend an seinen Helm und trat zur Seite.
Nora nickte ihm zu. »Danke für die Blumen. Aber mir wär’s hier oben zu zugig.« Sie ließ den Wagen langsam anrollen. Die beiden Polizisten blickten ihr nach, bis der Frazer in Richtung auf Fort Lee verschwand.
»Sie können sich wieder ordentlich hinsetzen«, sagte sie zu Cliff. »Wir
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