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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Sergeant, der mit den Voruntersuchungen beauftragt war, wandte seine Aufmerksamkeit dem jungen Mädchen zu. »Miss Feld«, sagte er. »Cecilia, wenn ich darf?«
    Das Mädchen nickte, mißtrauische Zurückhaltung im Gesicht, als wittere sie hinter der Bitte, sie beim Vornamen ansprechen zu dürfen, eine Falle.
    »Sie waren krank, wenn ich nicht irre?«
    »Krank?« Das Mädchen schien sich nicht bewußt, daß dies angesichts der Tatsache, daß sie um sechs Uhr abends einen Morgenrock trug, die logische Schlußfolgerung war. »Ich - nein, ich bin nicht krank. Ich war nicht krank. Höchstens ein Grippeanflug, aber nicht krank. Nein.«
    »Dann können wir zum Abschluß noch einmal alles durchgehen«, sagte der Polizeibeamte. »Nur um sicher zu sein, daß wir auch alles richtig aufgenommen haben?«
    Er formulierte es als Frage, aber keiner hielt es für etwas anderes als einen Hinweis darauf, was als nächstes kommen würde.
    Cecilia sah nicht so aus, als könne sie eine weitere Frage- und Antwortrunde mit der Polizei mühelos aushalten. Sie wirkte erschöpft und ausgelaugt.
    »Ich glaube nicht, daß ich Ihnen noch irgendwie weiterhelfen kann.« Sie war um Geduld bemüht, aber die Anstrengung kostete sie sichtlich Kraft. »Das Haus steht ziemlich weit von der Straße zurück. Das sehen Sie ja selbst. Ich hab überhaupt nichts gehört. Ich hab seit Tagen nichts gehört. Und gesehen hab ich schon überhaupt nichts. Nichts, was mich hätte vermuten lassen, daß ein kleiner Junge - ein kleiner Junge -« Sie brach ab.
    Der zweite Polizeibeamte schrieb umständlich mit einem Bleistiftstummel, als hätte er das alles nicht schon mindestens einmal an diesem Abend gehört.
    »Aber Sie verstehen doch sicher, warum wir Ihnen diese Fragen stellen müssen«, sagte der Sergeant. »Ihr Haus ist der Kirche am nächsten. Wenn überhaupt jemand die Möglichkeit hatte, den Mörder zu sehen oder zu hören, dann Sie. Oder Ihre Eltern. Sie sagen, daß sie im Augenblick nicht zu Hause sind?«
    »Es sind meine Pflegeeltern«, korrigierte das Mädchen. »Mr. und Mrs. Streader. Sie sind in London. Sie kommen irgendwann heute abend zurück.«
    »Waren sie am Wochenende hier? Am Freitag und Samstag?«
    Das Mädchen blickte zum offenen Kamin, auf dessen Sims mehrere Fotografien standen. Drei zeigten junge Erwachsene, vielleicht Kinder der Streaders.
    »Sie sind gestern nachmittag nach London gefahren. Sie wollten ihrer Tochter beim Umzug in ihre neue Wohnung helfen.«
    »Dann sind Sie hier wohl ziemlich allein?«
    »Nicht mehr, als mir lieb ist, Sergeant.« Es war eine seltsam erwachsene Antwort, weniger mit ruhiger Selbstsicherheit gegeben, als mit einer lethargischen Hinnahme einer unabänderlichen Tatsache.
    Die Mutlosigkeit, die in der Antwort mitschwang, veranlaßte Simon, sich über die Anwesenheit des Mädchens in diesem Haus Gedanken zu machen. Es war ein durchaus gemütliches Zuhause, gute, stabile Möbel auf einem soliden wollenen Teppich; Aquarelle an den Wänden; im offenen Kamin ein Korb mit Seidenblumen, die mit mehr Enthusiasmus als künstlerischem Gefühl arrangiert waren. Auf einem niedrigen Regal stand ein großer Fernsehapparat und auf dem Bord darunter ein Videorekorder. Bücher und Zeitschriften lagen zur Lektüre in müßigen Stunden herum. Doch ihrem eigenen Eingeständnis zufolge war das Mädchen eine Außenseiterin in diesem Haus, wie auch das Fehlen ihrer Fotografie auf dem Kaminsims bezeugte, und die Ausdruckslosigkeit, mit der sie sprach, legte nahe, daß sie sich auch sonst nirgends dazugehörig fühlte.
    »Aber Sie können hier doch die Geräusche von der Straße hören«, insistierte der Sergeant. »Während wir hier sitzen, fahren draußen Autos vorbei. Das hört man.«
    Wie auf Kommando lauschten sie alle. Und prompt brauste auf der Straße ein Lastwagen vorbei.
    »Aber so was fällt einem doch nach einer Weile gar nicht mehr auf«, entgegnete das Mädchen. »Auf Straßen fahren immerzu Autos vorbei.«
    Der Sergeant lächelte. »Das ist wahr.«
    »Sie wollen doch andeuten, daß ein Auto bei der Sache eine Rolle spielte. Aber wie können Sie das wissen? Sie haben gesagt, daß der kleine Junge auf dem Feld hinter der Kirche gefunden wurde. Ich denke, er kann auch auf vielerlei Weise dorthin gekommen sein, ohne daß mir was aufgefallen wäre, auch wenn ich - oder die Streaders oder die Nachbarn - das ganze Wochenende auf dem Quivive gesessen hätte.«
    »Auf vielerlei Weise?« wiederholte der Sergeant, dessen Interesse

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