03 - komplett
halten.“
Sylvie warf ihm einen Seitenblick zu. Klatsch, Skandal – genau über diese Dinge wollte sie mit ihm sprechen. Aber nicht die Angelegenheiten, die andere Familien betrafen, sondern jene, die ihre eigene Familie in Verruf bringen konnte. Pomeroys Pech erschien ihr ein guter Anknüpfungspunkt, um das zur Sprache zu bringen, was ihr auf dem Herzen lag. „Der Grund, warum ich dieses Treffen wünschte, ist ebenfalls ein Skandal, oder besser gesagt, der Versuch, einen solchen zu vermeiden.“ Sie wartete auf seine Reaktion und nahm besorgt zur Kenntnis, dass er keinerlei Regung zeigte. Er hielt seine Neugier sichtlich im Zaum, womit er sie zwang, sich weiter zu erklären, wenn ihr Vorhaben gelingen sollte. Sie wünschte, er würde ihr Fragen stellen, damit sie nur antworten müsste, denn irgendetwas sträubte sich in ihr, ihm alles zu gestehen. Doch das Schweigen zog sich in die Länge. Sie biss sich auf die Lippe und versuchte Mut zu fassen, ihm ihre Lüge zu gestehen. Wenn sie nur wüsste, wie sie das am Besten anstellen sollte, wie sie sich sein Wohlwollen sichern konnte.
Ihr Blick schweifte umher und heftete sich auf seinen wunderschönen Hengst.
Vielleicht konnte sie ihn geschickt an den Gefallen erinnern, den er ihr schuldete.
„Das ist ein sehr schönes Tier“, sagte sie mit gewinnendem Lächeln.
„Es ist nicht mein Pferd. Guy hat es mir geliehen.“
„Ah“, murmelte sie, nach den rechten Worten suchend, um dann doch unverblümt herauszuplatzen: „Haben Sie die Diebe gefasst und Ihren Hengst wiederbekommen?“
Er lächelte. „Ja, aber nicht ich war es, der diese Leistung vollbracht hat. Mrs. Bragg hat ihren Stallburschen mit den Konstablern hinter den Dieben hergeschickt. Sie hatten ihr Lager unweit des Gasthofes aufgeschlagen und wollten sich gerade davonmachen, als die Männer eintrafen. Glücklicherweise wurden sie noch rechtzeitig gefasst. Ich möchte Ihnen nochmals für Ihre Hilfe danken.“
„Ich bin froh, dass Sie Ihr Pferd zurückerhalten haben“, sagte Sylvie mit freundlicher Miene. „Ich war so wütend, als ich sah, was diese Schurken vorhatten, und konnte sie einfach nicht damit durchkommen lassen.“
Die Sonne stand bereits tief am Horizont und blendete sie mit ihren goldenen Strahlen. Blinzelnd erkannte Sylvie, dass es spät wurde und sie allmählich ihr Anliegen zur Sprache bringen musste. Ihre Worte sorgfältig abwägend, sagte sie: „Ich nehme an, Sie fragen sich, weshalb ich mit solch ... theatralischen Mitteln um ein Treffen gebeten habe.“
„Sind Sie meinetwegen zum Rose and Crown gekommen?“
Sylvie hob den Kopf. Die Frage machte sie verlegen, dennoch antwortete sie: „Ja.“
„Ich fühle mich geschmeichelt“, sagte er amüsiert.
„Dazu besteht kein Anlass“, erwiderte Sylvie rasch. „Ich habe Sie lediglich aufgesucht, weil ...“ Sie verstummte.
„Warum haben Sie mich aufgesucht?“, fragte Adam aufmunternd. Er sah, wie sie nervös an den Reithandschuhen zupfte, offenbar nicht wissend, was sie sagen sollte.
Ihre Verwirrung weckte ungewohnte Empfindungen in ihm und veranlasste ihn zu der Frage, auf die sie offenbar wartete. Schroff meinte er: „Warum wollen Sie nicht Mrs. Vance genannt werden?“
Ihre veilchenblauen Augen weiteten sich vor Schreck über seinen barschen Ton. Eine Welle der Zuneigung überflutete ihn. Bemüht seine zärtlichen Gefühle zu unterdrücken, rief er sich ins Gedächtnis, dass Sylvie Meredith die Frau eines anderen war und nun wohl nach den richtigen Worten suchte, um ihm mitzuteilen, dass er Zeuge geworden war, wie sie durchbrannten. Er hatte den ganzen Nachmittag darüber nachgedacht, warum sie ihn derart dringend unter vier Augen sprechen wollte, und es gab nur eine einzige Antwort darauf. Ein junges Paar, das ohne großes Gepäck auf der Great North Road nach Schottland unterwegs war und ganz offenkundig nicht den Wunsch nach Gesellschaft hegte, konnte nur durchgebrannt sein. „Sie haben sich mit Vance heimlich vermählt, nicht wahr? Ich nehme an, Ihre Eltern sind darüber immer noch verärgert, und Sie möchten mich darum bitten, dass ich bei meinem morgigen Besuch Takt und Diskretion walten lasse.“
Sylvie heftete den Blick auf seine finstere Miene. Sie war über seine deutlichen Worte zugleich entsetzt und erleichtert. „Wussten Sie von Anfang an Bescheid?“
Adam lehnte sich an die Holzwand der Hütte, deren Farbe schon fast abgeblättert war, und verschränkte die Arme. „Nein, aber als Sie andeuteten, Sie
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