03 - komplett
ihr auf dem Fuß.
„Du scheinst gar nicht schockiert zu sein, Rachel“, meinte Edgar Meredith und durchbrach damit die Stille, die sich über den Raum gelegt hatte. „Ich gebe zu, ich fürchtete, du könntest deinem alten Papa böse sein.“ Der Gedanke tat seinem Humor allerdings keinen Abbruch, wie es aussah.
Rachel sah ihn nur verächtlich an, bis sein Lächeln langsam erlosch. Er räusperte sich und rieb sich das mit grauen Stoppeln bedeckte Kinn. Energisch erhob er sich und ging auf und ab. „Wie ich schon zu deiner Mama sagte, es ist keine Katastrophe. Und ich sehe, meine verständnisvollen Mädchen stimmen der ruhigen, vernünftigen Ansicht ihres Papas zu“, fuhr er fort und betrachtete zufrieden die drei ernsten jungen Damen, die unbehaglich auf dem äußersten Rand ihrer Sessel in der eindrucksvollen Bibliothek saßen. Keine sah ihn an, nicht einmal die kleine Sylvie. Sie hielt den Kopf gesenkt, die Finger im Schoß verschränkt, während sie mit den Fersen ihrer Schuhe gegen den Sessel stieß, wieder und wieder und wieder ... bis ihre Mutter plötzlich rief: „Um Himmels willen, hör auf damit, Sylvie, ich flehe dich an!
Meine Nerven ...“
Als sie sich hastig abwandte, um ihre vom Weinen geröteten Augen zu verbergen, fuhr ihr Gatte schnell fort: „Ja, keine Katastrophe. Wir sind nicht arm. Wir sind nicht ruiniert. Wir müssen nur unseren Standort wechseln und ein wenig unsere Pläne ändern. Die Hochzeitsgäste aus der Stadt hatten uns sowieso schon zu verstehen gegeben, dass sie nur ungern die Höhepunkte der Saison verpassen würden, um für die Hochzeit nach Hertfordshire zu reisen. Sie werden erleichtert sein, nein, sogar begeistert über den Ortswechsel. Beaulieu Gardens ist mit allem Nötigen ausgestattet, um jede beliebige Menge bedeutender Gäste zu empfangen und ist auch für alle viel einfacher zu erreichen.“
„Dann sollten wir frohlocken, nicht wahr, dass wir ihnen keine Umstände zu machen brauchen“, fauchte Rachel mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Langsam erhob sie sich. „Sag es mir noch einmal, Papa. Ja, bitte wiederhole genau, was du getan hast.
Denn ich stelle fest, dass ich nicht ganz verstehe, wie irgendjemand – geschweige denn ein liebender Vater und Gatte – es über sich bringen kann, auf so selbstsüchtige, dumme, unverantwortliche Art zu handeln und ...“
„Wage es ja nicht, in diesem Ton mit mir zu reden, junge Dame!“, brüllte Edgar seine Tochter an, sodass seine Frau erschrocken die Armlehnen ihres Sessels packte und June zusammenzuckte. „Ich werde mit meinem Eigentum verfahren, wie ich es für richtig halte und wann ich es für richtig halte, ohne mir von einem Weib Vorhaltungen anhören zu müssen, das kein Recht hat, mein Verhalten anzuzweifeln ...“
„Ich habe jedes Recht dazu! Es gehörte mir! Durch das Erstgeburtsrecht gehörte es mir“, flüsterte Rachel mit erstickter Stimme. „Du hast verspielt, was rechtens mir gehörte.“
Edgar ging auf sie zu, zornig angesichts ihrer Wut und Verachtung. Sie waren fast gleich groß, um ihr also seine Überlegenheit deutlich zu machen, streckte er sich unwillkürlich und schob das Kinn vor. „Nein, meine Liebe, es gehört ... gehörte mir“, fuhr er sie an. „Und es wird mir gehören bis zu meinem Tod. Erst danach gehört ...
hätte es dir gehört. Wie du aber siehst, atme ich noch und werde es weiterhin tun, ungeachtet der Tatsache, dass du dir wünschtest, du könntest dem ein Ende bereiten.“ Er presste die Lippen zusammen, als er Rachel erröten sah. Mit zitternder Stimme fügte er hinzu: „Ich wiederhole, falls du mich noch immer nicht begriffen haben solltest: Ich werde mit meinem Besitz tun, was mir beliebt. Niemals werde ich einen Menschen um Erlaubnis anbetteln, dem ich Schutz und Unterhalt gewähre. Ich verbitte mir jegliche Vorhaltungen oder Nörgeleien.“ Und an seine Frau gewandt:
„Ebenso lehne ich es ab, mich bei irgendeiner von euch für mein Kartenspiel, meine Trinkfreude oder sonst irgendein männliches Vergnügen, dem ich zu frönen gedenke, Rechenschaft abzulegen.“
Seine Frau bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick, den er geflissentlich übersah.
„Oh Papa, du hast es mit Absicht getan! Du hast mir nie vergeben, nicht wahr?“
Rachel sprach sehr leise, aber man hörte ihren Worten das Entsetzen über die plötzliche Erkenntnis an. Edgars blasse Wangen röteten sich leicht, aber er ging nicht auf die Bemerkung seiner Tochter ein. „Ich sage es noch einmal:
Weitere Kostenlose Bücher