0324 - Die Geliebte des Dämons
und sah die Bewegung. Vielleicht hätte ich im Vollbesitz meiner Kräfte und Reaktionsfähigkeit noch ausweichen können. So aber überraschte sie mich.
Ihre Arme schwangen vor und legten sich gedankenschnell um meinen Hals. Finger spürte ich nicht. Es waren auch keine menschlichen Arme, sondern die einer Schlange, die mich umklammert hielten und in die Duschkabine zogen.
Kataya hatte auch mich erwischt!
***
Noch einen letzten Blick warf Suko auf seinen am Boden liegenden Freund John Sinclair. Um seine Mundwinkel zuckte es, dann ging er an dem Geisterjäger vorbei und öffnete die Tür. Shao folgte ihm. Sie sah anders aus als sonst. Blasser und irgendwie gefaßter. Ihr Blick allerdings sprach Bände. Da glühten die Augen in einem seltsamen Feuer, das Suko überhaupt nicht geheuer war.
»Wo gehen wir hin?« fragte er.
»Nach unten.«
»Und dort?«
»Wir müssen uns ein Auto nehmen.«
»Gemacht.« Als wäre alles völlig normal, schlenderten die beiden zum Fahrstuhl. Als sie einstiegen, murmelte Shao. »Ich freue mich auf meinen Geliebten. Ja.«
»Du liebst ihn sehr?« Suko fragte es mit gepreßt klingender Stimme.
»Stärker als mein Leben.«
Der Inspektor nahm die Antwort hin. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Er schaute starr nach vorn, auf die beiden sich allmählich schließenden Hälften der Lifttür.
Shao hatte es so gewollt, er würde sie nicht daran hindern, das zu tun, was getan werden mußte.
Ein paarmal schluckte er, aber er bekam den Kloß nicht weg.
Durch die Vernichtung des Fratzengesichts war etwas zurückgekommen, das nicht hatte sein sollen. Ändern konnte man daran nichts mehr.
Der Lift hielt unten in der Halle. »Möchtest du mit einem Taxi fahren?« fragte Suko.
»Ja, das wäre besser.«
»Ich lasse uns eines rufen. Warte hier.«
Shao blieb stehen. Niemand kümmerte sich um sie. Sie kam Suko vor wie eine ruhende Insel in einem Meer von sich bewegenden Menschen.
Dabei war sie genau das Gegenteil. Ein Vulkan, der brodelte und sehr bald aufbrechen konnte.
Kataya machte es möglich.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?« Die Stimme eines freundlichen Hilton-Angestellten unterbrach Sukos Gedanken.
»Ich hätte gern ein Taxi.«
»Wird sofort erledigt, Sir.«
Suko und Shao begaben sich in die Nähe des Hauptausgangs. Dort brauchten sie kaum eine Minute zu warten, dann war der Wagen da. Beide stiegen in den Fond. Shao gab das Ziel an.
»Zur Fähre!«
»Sehr wohl, Madam!« Der Chinese hinter dem Lenkrad lispelte ein wenig.
Bisher hatte Suko seine Freundin noch nicht nach dem Ziel gefragt.
Nun erkundigte er sich: »Du willst nach Kaulun?«
»Ja.«
»Und dort?«
Shao lächelte. »Kataya«, flüsterte sie.
Suko hatte weitere Fragen auf der Zunge, schluckte sie jedoch herunter, lehnte sich zurück und atmete tief durch. Wie es aussah, hatte er Shao verloren. An Kataya. Nichts würde sie davon abhalten, sich diesem Dämon hinzugeben. Shao liebte ihn. Weshalb und wieso?
Urplötzlich war es über sie gekommen, ohne eine Vorwarnung, und den Grund versuchte Suko herauszufinden. Weshalb hatte es gerade Shao erwischt?
Suko glaubte, darauf eine Antwort zu wissen, doch er sprach sie nicht aus und behielt sie für sich.
Shao sprach nicht mehr weiter. Sie saß stumm neben ihrem Partner und schaute nach vorn. Manchmal öffnete sie den Mund, dann huschte die Zungenspitze über ihre Lippen, das war die einzige Reaktion, die sie zeigte.
Der Verkehr auf der Insel wurde dichter. Die Fähren nach Kaulun waren immer vollgestopft mit Menschen und Waren. Oftmals konnten sie den Andrang kaum schaffen.
Immer öfter blieben sie stehen und stecken. Es wurde viel und laut gehupt. Auch der Fahrer machte mit. Er gestikulierte und schrie aus dem Fenster.
Shao zeigte sich von all den sie umgebenden Geräuschen überhaupt nicht beeindruckt. Sie saß auf ihrem Platz und lächelte still vor sich hin, als würde sie eine innere Freude erleben.
Suko wurde besorgter. Er kannte Shao, wenn sie sich einmal in irgendeine Sache verbissen hatte, ging sie darin voll auf, und es gab kaum ein Zurück.
Wieder stellte er eine Frage. »Was willst du auf der Halbinsel?«
»Ihn treffen.«
»Kataya?«
»Sicher.«
»Und wo?«
»Der Tempel wartet.«
Mehr bekam Suko aus ihr nicht heraus. Wahrscheinlich wußte sie auch nicht mehr. Es wunderte ihn sowieso, daß Shao nichts dagegen unternahm, daß er sie begleitete. Wahrscheinlich fühlte sie sich sicher und bei Kataya so gut aufgehoben, daß alles andere
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