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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Körperchen verkrampft vor Angst.
    »Molly!« Sie stieß die Haustür auf, lief zur Treppe und hetzte nach oben. Es war unerträglich heiß im Haus.
    »Molly! Süßes!« Sie neigte sich über das Kinderbett und hob die Kleine heraus, fühlte, daß sie klatschnaß war. Das kleine Gesicht war fiebrig, die braunen Löckchen klebten ihr am Kopf. »Ach, Molly, mein Liebes. Was ist denn, hm?« murmelte sie liebevoll, ehe sie nochmals laut »Michael! Mick!« rief.
    Molly auf dem Arm, stieg sie die Treppe wieder hinunter, ihre Schritte waren laut auf dem bloßen Holz, und ging nach hinten in die Küche. Als erstes mußte das Kind gefüttert werden. Dennoch konnte sie ihren Zorn nicht ganz bezähmen.
    »Ich will mit dir reden«, rief sie zur geschlossenen Wohnzimmertür. »Michael! Hörst du mich? Ich will mit dir reden! Auf der Stelle!«
    Noch während sie sprach, sah sie, daß die Tür nur angelehnt war. Sie stieß sie mit dem Fuß auf.
    »Michael, verdammt noch mal, du kannst mir wenigstens antworten, wenn -«
    Sie spürte, wie sich die feinen Härchen auf ihrem Arm aufstellten. Er lag auf dem Boden. Oder vielleicht war es auch jemand anderer, denn sie konnte nur ein Bein sehen. Nur eines. Nicht zwei. Schlief er? Wie konnte er bei dieser Hitze schlafen? Und bei dem Lärm, den Molly gemacht hatte?
    »Mick, willst du mich zum Narren halten?«
    Sie bekam keine Antwort. Mollys Schreien war in einem erschöpften Wimmern abgeflaut. Nancy ging einen Schritt in das Zimmer hinein.
    »Das bist doch du, oder, Mick?«
    Nichts. Aber sie sah, daß es Mick war. Sie erkannte den Schuh, einen frivolen roten Joggingschuh mit einem Silberstreifen am Knöchel, auch so eine Neuerwerbung von ihm, ein Stück Luxus, das er nicht brauchte, das zuviel Geld kostete, für das das Kind bezahlen mußte. Doch es war Mick, der da auf dem Boden lag. Und sie wußte genau, was er bezweckte. Er stellte sich schlafend, damit sie ihm keinen Vorwurf machen konnte, weil er das Kind vernachlässigt hatte.
    Aber irgendwie war es doch komisch. Normalerweise hätte er jetzt aufspringen und sie auslachen müssen, daß sie sich von ihm hatte ängstigen lassen. Denn sie ängstigte sich wirklich. Irgendwas stimmte hier nicht. Überall lagen Papiere auf dem Boden, das ging weit über Micks normale Schlamperei hinaus. Die Schreibtischschubladen standen offen. Die Vorhänge waren zugezogen. Draußen jammerte eine Katze, aber im Haus war es totenstill, und in der stickigen Luft hing ein widerlicher Geruch nach Fäkalien und Schweiß.
    »Mickey?«
    Ihre Hände, ihre Achselhöhlen, ihre Kniekehlen, die Ellbogenbeugen. Alles an ihr klebte vor Schweiß. Molly wand sich in ihren Armen. Nancy zwang sich, vorwärts zu gehen. Einen kleinen Schritt. Dann noch einen. Einen etwas größeren Schritt. Und dann sah sie, warum Mick Mollys Schreien nicht gehört hatte.
    Er lag reglos auf dem Boden. Seine Augen waren offen. Sie waren glasig und starr, und noch während Nancy hinsah, spazierte eine Fliege über eine blaue Iris.
    Sein Bild schien in der Hitze zu wabern wie belebt von einer Kraft außerhalb seines Körpers. Wieso bewegt er sich nicht? dachte sie. Wie kann er so still liegen? Ist das vielleicht irgendein raffinierter Trick? Spürt er denn die Fliege nicht?
    Erst da sah sie die anderen Fliegen. Sechs oder acht. Nicht mehr. Sie schwirrten normalerweise in der Küche herum und störten sie beim Kochen. Jetzt aber kreisten sie brummend um Micks Hüften, wo die Hose zerrissen war, aufgerissen, brutal heruntergerissen, weil jemand ihn ... ein Schlächter ihn verstümmelt hatte ...
    Sie rannte ohne Sinn und Ziel. Nur weg wollte sie. Sie stürzte aus dem Häuschen durch das Gartentor auf die Virgin Place hinaus. Das Kind in ihren Armen hatte wieder zu weinen begonnen. Sie blieb mit dem Fuß an einem Pflasterstein hängen und wäre beinahe gestürzt. Stolpernd rannte sie drei Schritte weiter, prallte gegen eine Mülltonne und hielt sich nur auf den Beinen, indem sie sich an ein Regenrohr eines der Häuser klammerte.
    Es war pechschwarz auf der Straße. Das Mondlicht fiel auf die Dächer und die Seiten der Häuser, doch diese warfen lange Schatten, die gähnende dunkle Löcher bildeten, in die sie hineinrannte, ohne auf das holprige Pflaster zu achten oder auf die huschenden Mäuse, die sich nachts hier tummelten.
    »Bitte.« Ihre Lippen formten das Wort, aber sie konnte es nicht hören. Doch dann hörte sie Stimmen und Gelächter aus der Paul Lane.
    »Gut, ich glaube dir. Und jetzt such

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