0818 - Lilith, der Teufel und ich
Antwort. »Ich denke, es sieht nicht so gut für dich aus, Sinclair…«
»Das könnte ich nicht sagen.«
»Doch, denn du hast auf den falschen Partner gesetzt. Der Teufel wird kaum hier erscheinen, um dir zu helfen. Er hat dich in die Vergangenheit geschickt, um den Becher holen. Er will die Zukunft ungeschehen machen, ein Unterfangen, das seine Macht sicherlich übersteigt, Sinclair. Asmodis ist nicht so gut, ich bin besser, und ich werde es dir beweisen.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sie den Becher gekippt.
Die Tränen Luzifers rollten aus der Öffnung.
Sie prallten gemeinsam zu Boden und sprangen hoch wie kleine Gummibälle. Ich konnte nicht anders und musste ihren Weg einfach mit den Blicken verfolgen.
Sie bewegten sich nicht willkürlich. Bereits nach kurzer Zeit hatte ich den Eindruck, als würden sie bestimmten Gesetzen gehorchen.
Lilith blieb auf der Stelle stehen, und sie dirigierte Luzifers Tränen mit ihren Augen. Die Pupillen wanderten. Mal in die eine, dann in die andere Richtung, und jedes Mal bewegten sich die gläsernen Tränen mit, die nach jedem Aufticken einen regelrechten Tanz aufführten und wie helle Sternschnuppen in die verschiedenen Richtungen davondrifteten, so lange, bis sie auf dem Boden zur Ruhe kamen.
Auf dem dunklen Untergrund schimmerten sie wie eisige Wassertropfen. Wenn ich im Geiste Verbindungslinien zog, dann kam so etwas wie ein Pentagramm heraus.
Nicht ungewöhnlich, dass Lilith hier ein magisches Feld aufgebaut hatte. Mir gefiel nur nicht, dass wir ebenfalls darin standen.
Sie hatte erreicht, was sie wollte. Zumindest dem ersten Teil des Plans betreffend. Dann nickte sie mir zu. »Es ist soweit, Sinclair. Du kannst dich austoben.«
»Wie bitte?«
Lilith gab sich generös. Sie stellte den Becher vor ihren Füßen ab.
Während sie sich aufrichtete, sagte sie: »Nimm ihn, Sinclair. Nimm ihn an dich, denn das hast du dem Teufel doch versprochen. Er will die Macht, er kann es nicht verkraften, dass andere über ihm sind. Ein Teil seiner Macht ist der Becher…«
Ich senkte den Blick.
Sollte ich, sollte ich nicht?
Ich rechnete sehr stark mit einem Trick oder einer bösen Falle dieser Person. Lilith würde den Becher nie freiwillig hergeben. Ich brauchte nur das Funkeln ihrer Augen zu sehen, um zu wissen, dass sie Böses im Schilde führte.
»Warum nimmst du ihn nicht?«
»Du gibst ihn freiwillig ab?«
»Ja, er ist leer.«
Ich lachte auf. Das also war der Trick. Natürlich, ich hätte schon viel eher darauf kommen müssen. Manchmal siehtman eben den Wald vor lauter Bäumen nicht. Was sollte ich mit einem Gefäß anfangen, in dem das Wichtigste fehlt?
»Wenn ich ihn an mich nehme, was wird passieren?«
»Dann kannst du ihn Asmodis bringen. Deshalb bist du doch erschienen. Du hast dich mit ihm verbündet, Sinclair. Du hast zugestimmt, ihm Luzifers Tränenbecher zu überreichen.«
Ich wusste nicht, ob ich es riskieren sollte, und wartete auf einen Rat meines Freundes. Als ich Suko anschaute, da bewegte sich in seinem Gesicht kein Muskel. Er sah aus wie jemand, der völlig erstarrt war. Auch seine Augen waren so seltsam glanzlos geworden. Die Frage erstarb mir auf den Lippen. Von ihm konnte ich keine Hilfe erwarten.
»Bist du feige?« fragte Lilith.
»Nein, nur vorsichtig.«
»Du enttäuschst mich. Man hat dich wirklich überschätzt, denke ich mal. Ich gebe dir die Chance, den Becher an dich zu nehmen. Du kannst ihn dem Teufel überreichen. Er wird sich bestimmt freuen. Natürlich musst du damit rechnen, dass er auch enttäuscht sein wird.«
Ich machte den ersten Schritt, der mich näher an den Tränenbecher heranbrachte. Dann streckte ich die Arme aus.
Hinfassen?
Ich spürte meinen Herzschlag überlaut. Immer näher kamen meine Finger, und sie griffen zu.
Zum ersten Mal hielt ich Luzifers Tränenbecher in den Händen.
Ich wusste nicht, was mich erwartet hatte, doch auf irgendeine Art und Weise war ich schon enttäuscht. Es fühlt sich einfach zu normal an. Nicht zu kalt, nicht zu warm. Es lag irgendwo in der Mitte. Ich konzentrierte mich auf das Metall.
Mir kam es so vor, als würde ich den Dunklen Gral anfassen oder ein anderes, völlig normales Gefäß. Aber das war es nicht. In ihm waren vor urlanger Zeit die Tränen Luzifers aufgefangen worden.
Ich befreite mich von diesem Gedanken und hob den Kopf so weit an, dass ich in das Gesicht der Dämonin Lilith schauen konnte.
Sie lächelte kalt und wissend. »Na, wie fühlst du dich jetzt, John
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