1019 - Das Vampirfenster
an. Wer oder was immer genau in dieser Scheibe gelauert hatte, es war schneller gewesen als ich. Es hatte locker und leicht das Fenster verlassen und war verschwunden.
Wohin?
Ich wußte es nicht. In den Ort. Dort lebten Menschen. Da wohnte auch Gilian Kyle.
Noch hatte sich zwischen ihr und mir nichts geändert. Nach wie vor durchschaute ich ihr Spiel nicht. Ich wollte sie nicht zu negativ sehen und ihr kein Unrecht tun.
Als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen spürte, stand der Entschluß fest.
Ich mußte nicht nur nach Lyminge, sondern in das kleine Hotel, wo Gilian allein zurückgeblieben war. Ihre Kopfschmerzen hatten eine Ausrede sein können. Alles war möglich. Auch eine direkte Zusammenarbeit zwischen ihr und diesem Wesen im Fenster.
Wenn es stimmte, hatte man für mich eine Falle gebaut, und ich war leider trotz meiner vielen Erfahrungen hineingetappt. Aber man ist eben nur ein Mensch…
***
Ich fliege – ich fliege!
Zwei Worte, ein Gedanke, der allerdings auch irgendwo stimmte, denn Gilian hatte den Boden unter ihren Füßen verloren, weil der Blutsauger sie mit seiner immensen Kraft in die Höhe gestemmt und dann einfach weggeschleudert hatte.
Quer durch das Zimmer war sie geflogen. Die Landung erfolgte zum Glück auf dem Bett. Gilian schlug auf die weiche Matratze, die ihr trotzdem hart vorkam. Sie schrie auf, sie federte hoch, dann wieder zurück, landete erneut auf dem Rücken und stellte erst jetzt fest, daß der Druck von ihrer Kehle verschwunden war und sie wieder Luft holen konnte.
Unnatürlich weit riß sie ihren Mund auf. Sie atmete tief ein, für einen Moment war sie einer Ohnmacht ziemlich nahe, aber die normale Welt erwischte sie erneut.
Sie blieb wach.
Aus einigen Fetzen setzte sich die Erinnerung zusammen. Die Kälte, der Wind, das Fenster, das sie hatte schließen wollen – und der urplötzliche Angriff aus dem Dunkel. Sie hatte den Unheimlichen nicht gesehen, er mußte in der Tiefe gelauert haben, vielleicht hatte er sich sogar an der Hauswand festgeklammert, möglich war so etwas. Jedenfalls war sie überrascht worden, und sie wußte jetzt, daß sie dieses Spiel nicht gewinnen konnte.
Er war noch da. Gilian sah ihn, als sie sich etwas aufrichtete. Auf die Folgeschmerzen an ihrem Hals achtete sie nicht. Sie hatte nur Augen für die Person, die sich durch das Fenster schob und sich dabei anstrengen mußte, weil die Öffnung nicht so groß war.
Mit dem Kopf zuerst kam er an. Sein Gesicht war nicht genau zu erkennen, und Gilian traute sich auch nicht, das Licht einzuschalten.
Sie lag auf dem Bett, den Kopf leicht erhoben und somit in einer unnatürlichen Haltung.
Der andere hatte es geschafft und das Fenster betreten. Den Rahmen hatte er nicht beschädigt, auch die Scheibe war nicht beschädigt worden. Freie Bahn für ihn.
Gilian wußte jetzt, daß sie ihr Blut abgeben mußte. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie war zu schwach, und sie schaffte es nicht einmal, einen Schrei auszustoßen. So hockte sie auf dem Bett ohne sich zu bewegen. Nur der andere war wichtig.
Er kam wie eine Schlange. So schnell, so gleitend und auch irgendwie lautlos. Kaum ein Geräusch war zu hören. Er war in den Raum hineingeglitten, er brauchte nicht einmal zu atmen, denn er lebte nicht in dem Sinne wie ein Mensch, er existierte nur.
Das wußte auch Gilian Kyle. Sie hatte sich lange mit Vampiren und deren Historie beschäftigt. Möglicherweise war es ein Fehler gewesen, den sie nun nicht mehr korrigieren konnte. Sie mußte sich dem Alptraum stellen, und sie würde sehr bald kein normaler Mensch mehr sein.
Er richtete sich auf. Seine Kleidung raschelte dabei. Gilian bekam bei diesem Geräusch eine Gänsehaut. Ihr war sowieso kalt gewesen.
Der Körper schien sich mit Eis gefüllt zu haben. Innerhalb dieser Masse existierte ein Loch. Darin lag ihr Herz, das immer noch schlug, schwerer als sonst. Kräftiger. Es pumpte das Blut durch die Adern und hinein in das Gehirn.
Noch…
Wie lange dieser Zustand anhalten würde, lag einzig und allein in den Händen des Vampirs. Schlimm daran war, daß Gilian ihn erweckt hatte. Sie hatte ihren eigenen Mörder herangezüchtet, und diese Tatsache allein machte sie schon fertig.
Der Blutsauger ging nur einen weiten Schritt, um das Bett zu erreichen. An der linken Seite blieb er stehen. Er war jetzt besser zu sehen, weil dort der Lichtschein aus dem kleinen Bad versickerte und sich sein Körper dort als dunkles Etwas abmalte.
Eine gebeugte Gestalt mit
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