139 - Kreis der Telepathen
Ruhig, glatt und schwarz erstreckte sich die See bis hin zu jener weißen Wassermauer.
Eine Handbreite hoch stand sie bereits zwischen Himmel und Meer.
Er hetzte die Vortreppe zum Turmeingang hinauf, prallte gegen die verrostete Metalltür. Verriegelt! »Lasst mich rein!«
Er packte die Klinke, rüttelte an der Tür. »Bitte, lasst mich rein!« Er blickte nach oben.
Die Zwergin hing noch im Fenster. Deutlich sah er nun ihr Gesicht – das lachende Gesicht eines Gnoms. »Viel Spaß da unten!«, schrie sie.
Er trommelte mit den Fäusten gegen die Tür, warf sich dagegen, wieder und wieder, aber sie gab nicht nach.
Er trat ein Stück zurück, um Anlauf zu nehmen. Dabei blickte er am Turm vorbei aufs Meer hinaus. Weißgrau leuchtete die Wasserwand, und reichte sie nicht schon halb bis zum Himmel hinauf? Beebie Rots Mund wurde trocken, seine Knie weich, das Herz schlug ihm in der Kehle und in den Eingeweiden.
»Bitte…!«, flehte er zum Turm hinauf. Doch da war niemand mehr. »Bitte…!« Die Stimme versagte ihm. Er zitterte am ganzen Körper. Die Wasserwand raste heran wie die Schwertklinge eines Titanen – um die gesamte Küste mit allem, was auf ihr atmete, zu zerschlagen! Nur ein paar Hundert Schritte trennten sie noch vom Land. Längst hörte der Piratenkapitän ein unterirdisches Grollen, ein Donnern wie von zehntausend Trommeln.
Beebie Rot schrie – und rannte los. Die Tür war seine letzte Chance zu überleben!
Im selben Moment, da er sich dagegen warf, zog jemand sie von innen auf. Beebie Rot flog in die Dunkelheit eines feuchten Raumes, prallte mit Schultern und Kopf gegen eine morsche Bretterwand, brach hindurch und scheuerte über Geröll und Schutt.
Er stemmte sich vom Boden hoch, schüttelte sich und blickte zurück. Eine Frau stieß gerade die Turmtür zu und verbarrikadierte sie mit Holzbalken. Auf einmal hielt sie ein langes Schwert in den Händen. Ein Schritt und sie stand über ihm.
»Am liebsten würde ich dir deinen roten Hohlkopf abschlagen!«, zischte sie böse. Wie eine Rachegöttin kam sie ihm vor. »Und wenn du dich ein einziges Mal daneben benimmst, werde ich das auch tun!« Es war düster hier drin.
Beebie Rot sah nur das Funkeln ihrer zornigen Augen. Und dass sie halb nackt war, sah er auch. »Hast du mich verstanden, Roter?«
Er wischte sich den Dreck von der Backe. »Ja, verdammt…«
Das Donnern des Meeres schwoll weiter an. Der Turm bebte, und die Frau rannte die einzige Treppe hinauf, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Das Tosen und Donnern des Wassers verschlang ihre Schritte.
Beebie Rot richtete sich auf. O Wudan, wie schmerzten seine Knochen! Er stolperte zur Treppe, nahm Stufe um Stufe, langsam erst, dann immer schneller. Draußen schlug das Titanenschwert gegen die Küste. Schneller, Beebie Rot, schneller!
Eine gewaltige Faust traf den Turm, dass er zitterte. Beebie Rot stolperte, schlug hin. Unten splitterten Glas und Holz.
Beebie Rot kämpfte sich wieder hoch, rannte weiter, Stufe um Stufe.
Unter ihm gurgelte die Flut. Das Rauschen schien die Stufen herauf zu klettern, kam näher und näher. Schon umspülte Wasser seine Knöchel. Seine Lungen stachen, sein Atem flog.
Erneut rutschte er aus und schlug lang hin, und Wasser überflutete seinen Kopf. Er schluckte Salzwasser. Der Wasserdruck trieb ihn noch ein paar Stufen weiter nach oben, dann gab er auf.
Keine Kraft mehr. Vorbei.
Er spürte, wie er Stufe um Stufe zurück glitt. Das zurückströmende Wasser wollte ihn wieder mit nach unten reißen.
Da schloss sich eine Hand um seine. Er hielt sie fest und strampelte. Seine Sohlen erwischten einen Widerstand. Er folgte dem Zug der Hand, bis sein Kopf durch die Wasserlinie stieß.
Seine Lungen pfiffen, als er Atem holen wollte und erst einmal Wasser spie. Die Hand ließ ihn los. Als Beebie Rot die Augen aufriss und den Kopf hob, sah er Frauenbeine hinter der nächsten Biegung der Wendeltreppe verschwinden.
Wie lange er dort liegen blieb, konnte er später nicht mehr sagen. Irgendwann jedoch kroch er auf den Knien bis zur Turmspitze hinauf. Es war nicht mehr weit. Dort entdeckte er die Frauen an einem der Fenster, die hier oben den Blick nach allen Seiten erlaubten. Eine der Frauen stand auf einer Kiste, weil sie sonst wegen ihres kurzen Körpers nicht bis zur Fensterbank gereicht hätte. Die andere, die Schöne, trug ihr Langschwert in einer Rückenscheide. Sie beachteten ihn nicht.
Gut so.
Beebie Rot schleppte sich zu einem Fenster, richtete sich auf und
Weitere Kostenlose Bücher