1524 - Schreckens-Zoo
machte sich der Mann keine Gedanken. Er war nicht hergekommen, um zu kämpfen, sondern um zu kaufen. Und nun wünschte er sich fast, tot zu sein, denn mit einem Auge durch die Welt zu laufen, das konnte es nicht sein.
Drei seiner Freunde lebten nicht mehr. Er selbst war nur noch ein halber Mensch. Wie sollte das enden?
Er war auch nicht bewusstlos geworden, und so spürte er, dass sich dort, wo mal das linke Auge gesessen hatte, nur noch ein Loch befand.
Es war alles ausgelaufen, und wahrscheinlich lag das Auge hier irgendwo in der Nähe. Aber er wollte nicht danach suchen. Wenn er es fand, würde der Schock umso größer sein.
Er hockte auf dem Boden. Seinen Rücken hatte er gegen die Wand gedrückt. So fiel er nicht um. Sein Gesicht war verzerrt und schweißüberströmt.
Mit dem rechten Auge konnte er noch sehen, nur nicht mehr so scharf wie sonst, denn wenn er nach vorn schaute, sah er seine Umgebung nur verschwommen.
Das noch vorhandene Auge vergoss hin und wieder auch ein paar Tränen. Ihm lief auch die Nase, und wenn er einatmete, dann war es nichts anderes als ein Keuchen.
Es war ruhig geworden in seiner Umgebung. Das Flattern der Schwingen hörte er nicht mehr. Die Killervögel hatten sich zurückgezogen, und auf dem Gesicht des Mannes trocknete allmählich das Blut.
Ibn Hakim war klar, dass noch etwas mit ihm geschehen würde. Sonst hätte man ihn nicht am Leben gelassen. Hinzu kam noch etwas, das er nicht begreifen konnte.
Die Vögel hatten getötet, aber sie gehorchten einer Frau, und das wollte ihm nicht in den Kopf. Ibn Hakim hatte ein anderes Frauenbild als ein europäischer Mann. Seine beiden Frauen gingen tief verschleiert, und nur die Augen waren bei ihnen zu sehen. Hier in Europa war alles anders, und er hatte seine Freunde auch vor der Frau gewarnt, bei der sie die Vögel kaufen wollten. Ein solcher Kauf war reine Männersache, aber er war überstimmt worden, und jetzt waren die drei Männer, die das getan hatten, tot.
Zuerst war der Schmerz rasend gewesen. Er hätte ihn eigentlich in die Bewusstlosigkeit treiben müssen. Das war nicht geschehen, dann war der erste große Schmerz abgeklungen, aber nie völlig verschwunden, denn er kehrte in Intervallen zurück.
Das war auch jetzt nicht anders. Wieder spürte er in seiner Augenhöhle das Stechen, und er konnte nicht anders, als einen leisen Schrei von sich zu geben.
Es war, als würde jemand mit einem unsichtbaren Messer in seiner Augenhöhle herumstochern. Wieder lösten sich Tränen aus seinem noch vorhanden Auge, sodass die Umgebung noch mehr verschwamm. Einige Zeit hatte er darunter zu leiden, und dann empfand er es wieder als ein Geschenk Allahs, wenn dieser beißende Schmerz nachließ.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er wollte auch nicht auf seine protzige, mit Brillanten besetzte Rolex schauen, denn in ihm keimte ein menschliches Verlangen auf. Durst quälte ihn. Er sehnte sich nach einem Schluck Wasser, der ihn kräftigen würde.
Ibn Hakim wollte weg!
Auch wenn er nur mit einem Auge sah, die Hoffnung, von hier zu entkommen, hatte er noch nicht aufgegeben. Vielleicht rechnete die Frau auch nicht mehr mit ihm. Wenn es ihm gelang, das Auto zu erreichen, war schon viel gewonnen. Im Wagen würde er einigermaßen sicher sein.
Er war zudem schnell genug für eine Flucht.
Seine Gedanken rissen ab, als er außerhalb der Hütte etwas hörte.
Zuerst konnte er die Geräusche nicht identifizieren, was sich bald änderte, denn es waren Schritte, und die klangen anders als die der Frau, die hier herrschte. Er hörte auch eine Stimme, verstand aber nicht, was gesprochen wurde, denn der Mann brabbelte etwas vor sich hin, wobei er zwischendurch hörbar Luft holte.
Wenige Sekunden später verdunkelte sich das Viereck der offenen Tür.
Da Ibn Hakim ihr genau gegenüber saß, bekam er es trotz seiner Sehschwäche mit, nur zeichnete sich die breitschultrige Gestalt nicht so scharf ab, wie er sich gewünscht hätte. Sie erschien ihm wie ein schattenhaftes Monstrum auf zwei Beinen, das etwas gebückt da stand und in die Hütte glotzte.
Ibn Hakim rieb über sein rechtes Auge. So verschaffte er sich tatsächlich eine klarere Sicht, und was er sah, sorgte bei ihm für ein tiefes Erschrecken.
Sein Henker schien gekommen zu sein. Denn so stufte er die gebückte Gestalt ein, deren Gesicht einen debilen Ausdruck zeigte.
Der Mund des Mannes stand offen, und es störte ihn offenbar nicht, dass Speichel über seine Unterlippe quoll und am
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