1578 - Hass der Verlorenen
rückte etwas zur Seite, weil Glenda mit ihrem Bürostuhl in unser Büro fuhr. »Ich denke, wir brauchen uns da nicht zu wiederholen. Ich habe auch bereits mit dem Kollegen von der Spurensicherung gesprochen. Diese Brenda ist durch einen natürlichen Tod ums Leben gekommen.«
»Was heißt das?«, fragte ich.
Sir James rückte seine Brille zurecht. »Herzstillstand, versicherte mir der untersuchende Arzt. Ja, sie hat tatsächlich einen Herzschlag erlitten. Da hat absolut nichts auf einen Mord hingewiesen.«
»Das hatte ich mir fast gedacht«, murmelte ich.
»Dennoch ist es kein normaler Tod gewesen«, fuhr Sir James fort, »wenn ich das mit in meine Überlegungen einbeziehe, was ich von Glenda Perkins erfahren habe. Sie ist schon etwas länger hier. So haben wir ein intensives Gespräch führen können.«
»Und wie ist das ausgegangen?«, fragte ich, ohne auf die Spitze einzugehen.
»Sehr konstruktiv. Wir sind überein gekommen, dass man uns alle ungewöhnlichen Todesfälle meldet, die es in der letzten Zeit gegeben hat. Ich nehme nicht an, dass wir dabei Wochen zurückgehen müssen, aber zwei, drei Tage schon.«
»Die Idee ist gut«, lobte ich, und auch Suko nickte.
Dabei fragte er: »Haben Sie schon erste Hinweise, Sir?«
»Nein, das haben wir nicht. Darauf warten wir noch. Aber es ist noch früh.« Er nickte mir zu. »Auf Ihren ungewöhnlichen Helfer Raniel können wir uns wohl erst mal nicht verlassen.«
»Leider. Er geht immer seinen eigenen Weg.« Ich trank den Kaffee, während ich überlegte und zu dem Schluss kam, der uns allen wohl kaum gefallen konnte. »Es sind mehrere Gegner gewesen, wie ich von Raniel erfuhr. Deshalb müssen wir damit rechnen, dass noch weitere Menschen ums Leben kommen.«
»Das steht zu befürchten, John. Und da man sich nicht auf eine bestimmte Gruppe festlegen kann, haben wir schlechte Karten. Oder sehen Sie das anders?«
»Leider nein.«
Der Superintendent schüttelte den Kopf. »Es passt mir ganz und gar nicht, dass wir in eine Auseinandersetzung hineingezogen worden sind, die sich auf einer ganz anderen Ebene abspielt. Als hätten wir nicht schon Probleme genug.«
»Es ist unser Job, Sir.«
Ich erhielt keine Antwort. Dafür stand Sir James auf, nickte uns zu und verschwand.
Als die Außentür des Vorzimmers zugefallen war, winkte Glenda mit der rechten Hand ab. »Der ist ganz schön angefressen.«
Ach ich winkte ab. »Sorry, aber das kann ich nicht ändern. Wir haben es uns nicht ausgesucht.«
»Dann bleibt uns nur das Warten darauf, dass die andere Seite wieder zugeschlagen hat und wir es mit mehr Toten zu tun bekommen.«
Glenda schüttelte den Kopf. »Manchmal kann man an sich selbst zweifeln.«
Ganz so pessimistisch sah ich die Dinge nicht. »Denk daran, dass es noch Raniel gibt.«
»Ja, das ist wohl wahr«, sagte sie leicht lachend. »Aber glaubst du, dass er uns mit ins Boot holt? Das ist sein Fall. Er geht seinen Weg. Er ist der Gerechte, und wie ich ihn einschätze, wird er auch seine Gerechtigkeit walten lassen. So ist es, John, und so wird es auch in der Zukunft bleiben.«
Diesmal stand sie auf, schob den Stuhl vor sich her und verließ unser Büro.
»Tolle Stimmung«, konstatierte Suko trocken.
»Sollen wir jubeln?«
»Nein.«
»Es ist, wie es ist«, fasste ich zusammen. »Wir können nur darauf warten, dass die Kollegen mitspielen und ungewöhnliche Todesfälle wirklich melden.«
»Wenn man bei allen einen Herzstillstand diagnostiziert, werden wir wohl kaum Erfolg haben. Da können wir warten, bis uns die Haare ausfallen.«
»He, du bist ja optimistisch.«
»Nur realistisch.«
Suko hatte nicht so unrecht. Doch mir war nicht eben fröhlich zumute.
Ich brauchte noch eine Tasse Kaffee. Als ich das Vorzimmer betrat, sah ich eine Glenda Perkins, die ebenfalls verbiestert aus der Wäsche schaute.
»Sauer?«
Sie antwortete bissig. »Hörst du mich lachen?«
»Kann ich nicht behaupten. Aber der Kaffee ist klasse wie immer.«
Diesmal lächelte ich.
»Das heitert mich auch nicht auf. Ich hasse es einfach, wenn Menschen sterben und man es nicht verhindert hat, obwohl man es hätte tun können. Wir müssen uns die Verantwortung für Brenda Jones’ Tod zuschreiben, John. Ich habe immer darüber nachdenken müssen, deshalb war an Schlaf auch nicht zu denken. Es war mir egal, ob ich zu Hause herumsitze oder hier. Da bin ich eben ins Büro gefahren und habe Sir James angerufen.«
»Das war doch gut.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das kannst du erst
Weitere Kostenlose Bücher