1715 - Gewächs des Grauens
standen, doch ich sah nichts, was mir aufgefallen wäre.
»Alles klar?«, rief Jane.
»Es sieht so aus.«
Zwar traute ich dem Frieden nicht so ganz, aber was sollte ich machen? Wir konnten hier nicht stehen bleiben und darauf warten, dass sich die andere Seite meldete.
Unser Ziel lag in Kilburn. Wir mussten nach Norden fahren. In Kilburn kannte ich mich nicht besonders aus, ich wusste nur, dass es dort einen großen Friedhof gab.
Ich war gespannt auf diesen Bischof Makarew. Er hatte sich bis jetzt ziemlich im Hintergrund gehalten. Dafür musste es einen Grund geben. Wahrscheinlich war ihm die Gefahr bewusst, in die ihn der Besitz dieser Ikone brachte.
Und da war es für ihn sicherer, wenn er jemanden vorschickte. Eine wie Jane Collins.
Dass es in Kilburn eine kleine Gemeinde von orthodoxen Christen gab, war mir neu. In London leben ja zahlreiche Menschen, die den verschiedensten Glaubensrichtungen angehörten. Hier war praktisch alles vertreten, was es in der Welt gab.
Jane, die neben mir saß, sah recht angespannt aus. Ich wollte den Grund wissen und fragte sie danach, was Jane mit einem knappen Abwinken beantwortete.
»Was soll die Geste heißen?«
»Ach, ich glaube, dass wir erst am Beginn stehen. Da rollt noch was auf uns zu.«
»Durch den Bischof?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Kennst du ihn denn?«
»Ja, wir haben uns einmal getroffen.« Jane hob die Schultern. »Was soll ich sagen? Er sieht so aus, wie man sich einen Bischof vorstellt. Älter schon, er trägt einen grauen Bart, sein Gesicht zeigt zahlreiche Falten, aber er hat sehr wache Augen, und das zeigt einem, dass er noch voll auf der Höhe ist.«
»Und du fühlst dich nicht vor seinen Karren gespannt?«
»Nein.« Sie lachte. »Dann müsste das ja bei jedem Auftrag so sein, den ich übernehme. Ich stehe immer vor dem Karren meines Auftraggebers. So muss man das sehen.«
»So gesehen stimmt das.«
»Ich habe den Bischof als einen sehr besorgten Mann erlebt, John. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich habe mich von ihm nicht im Geringsten hintergangen gefühlt.«
»Das ist gut.«
Wir fuhren weiter auf Kilburn zu. Die Edgware Road hatten wir bereits verlassen. Unter unseren Reifen befand sich der Belag der Maida Vale Road, die später in die Kilburn High Road überging. Da wir durch keine Nebenstraßen fahren mussten, kamen wir gut voran. Staus hatte es bisher nicht gegeben und würden uns wohl auch nicht mehr aufhalten.
Normalerweise redete Jane Collins unaufhörlich, wenn sie mit mir zusammen war. In diesem Fall war sie recht still. Sie saß neben mir und hielt den Blick nach unten gerichtet. Wie jemand, der über etwas nachgrübelt.
»Was bereitet dir Probleme?«
Sie seufzte auf. »Keine richtige Ahnung, John. Ich spüre nur so ein bedrückendes Gefühl in mir. Als würde etwas aus dem Ruder laufen und wir dann die Verlierer sind.«
»Ja, es ist nicht gut, wenn Feinde im Hintergrund lauern und nicht zu sehen sind. Das kann schon an den Nerven zerren.«
»Und wie sie meinen Wagen in die Luft gesprengt haben! Das war rücksichtslos. Wie leicht hätten unschuldige Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden können?«
Auch das stimmte. Und ich dachte daran, dass wir es mit gefährlichen Gegnern zu tun hatten. Menschen, die kein Pardon kannten und ihre Ziele eiskalt verfolgten.
Und dann gab es noch die Ikone. Ein Mystiker, möglicherweise für bestimmte Menschen ein Heiliger. Für uns eine gefährliche Fracht, denn ich hatte nicht vergessen, dass sich das Bild verändert hatte. Etwas war zutage getreten, das sich bisher im Verborgenen gehalten hatte, und genau das musste das Geheimnis dieser Ikone sein. Für mich war sie kein Heiligenbild, sondern etwas, was der Teufel oder andere Dämonen den Menschen überlassen hatten.
Ich überlegte, ob es nicht doch falsch gewesen war, das Kreuz nicht einzusetzen. Aber das würde sich noch alles ergeben. Erst mal war wichtig, was Bischof Makarew zu dieser Ikone zu sagen hatte. Auf ihn setzte ich und hoffte, dass er keine Enttäuschung für uns war.
Mir fiel ein besonderes Geräusch auf. Es hörte sich leicht zischend an. Zuerst wusste ich nicht, woher es stammte, bis ich den Kopf nach links drehte und zugleich vom Gas ging, weil sich vor uns ein kleiner Stau gebildet hatte.
Ich hatte richtig geschaut. Jane Collins saß da und saugte hörbar in Intervallen die Luft durch die Nase ein.
»Was hast du?«
»Riechst du nichts?«
»Nein, was sollte ich denn riechen?«
»Hier riecht es.« Sie zog
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