Agenten kennen kein Pardon
Deutscher?
»Sie haben unseren Brief erhalten?« sagte die Gestalt. An der Art, wie er die englische Sprache betonte, erkannte Hakanaki den Deutschen.
»Ja.« Der Physiker versuchte, in der Dunkelheit mehr zu sehen als die blonden Haare. »Es war unvorsichtig von Ihnen, einfach an General Simanuschi zu schreiben.« Er dachte an diesen Brief, der gestern abend von einem Eilkurier in die unterirdische Stadt Nagoi gebracht wurde. Man hatte ihn genau auf Fingerabdrücke untersucht, aber nichts feststellen können. Auch der Absender war unbekannt. Der Brief war auf dem Hauptpostamt in Tokio aufgegeben worden. Er enthielt nichts als die Bitte, am nächsten Abend Dr. Hakanaki an dem zweiten Knick des Roku bei den Blumenbooten zu schicken, da eine sehr wichtige Angelegenheit im Zusammenhang mit den neuesten Ereignissen in Amerika zu besprechen wäre.
Keine Unterschrift. Keine näheren Angaben – nichts.
Dr. Hakanaki hatte sich nach einem Gespräch mit General Simanuschi sofort bereit erklärt, dieser Aufforderung des Unbekannten Folge zu leisten. Er ahnte etwas von einer Sensation und wies alle Angebote zurück, sich von Militär oder Geheimpolizisten begleiten zu lassen. Dr. Yamamaschi durfte ihn begleiten, während General Simanuschi am Stadtrand Tokios in einer großen Limousine wartete und ungeduldig mit seinen Handschuhen spielte.
Jetzt stand Hakanaki dem Fremden gegenüber. Und es war ein Deutscher.
Der Fremde schien zu lächeln.
»Wir sahen keine andere Möglichkeit, mit Ihnen in Verbindung zu treten.«
Dr. Hakanaki schüttelte den Kopf. »Woher wissen Sie, daß es ein Nagoi gibt? Woher kennen Sie mich? Was wissen Sie über die Atomversuche Japans?«
»Eigentlich alles.« Der Unbekannte sah, wie Dr. Hakanaki zusammenzuckte und hob die Hand. »Bitte, sorgen Sie sich nicht. Hätten wir die Absicht, Nagoi zu verraten, wäre dieses längst geschehen. Wir sind eine Gruppe kriegsgefangener deutscher Soldaten, die aus Rußland nach Japan flüchteten. Ein Teil ist noch an der Wolga, in der Nähe von Nowo Krasnienka. Sie werden von unseren Geheimsendern Kenntnis haben, Dr. Hakanaki …«
Der Physiker atmete auf. »Sie sind die geheimnisvolle Informationsquelle? Es ist mir angenehm, mit Ihnen zu sprechen.«
»Wir kommen heute im Auftrag von Dr. v. Kubnitz zu Ihnen. Dr. v. Kubnitz leitet neben Prof. Dr. Kyrill die russischen Atomversuche in Nowo Krasnienka. Er ist unser Verbindungsmann zum russischen Atomzentrum.«
»Sehr interessant.« Dr. Hakanaki beugte sich vor. »Was hat mir der deutsche Kollege zu sagen?«
»Sie wissen von der Entführung Mabel Paersons?«
»Ja. Ihr Sender gab es durch. In Amerika schweigt man darüber. Es stimmt also, daß zwei russische Agenten diesen Handstreich ausführten?«
»Ja. Man will Prof. Paerson zwingen, gegen die Freigabe seiner Tochter sein Geheimnis zu verraten. Uns ist auch bekannt, daß Japan einige Agenten in Amerika hat.«
»Sie arbeiten gut. Das Kompliment muß ich Ihnen machen.«
»Danke. Wir kommen nun mit einem Vorschlag zu Ihnen. Unter Zurückstellung aller eigenen Interessen bitten wir Sie, Ihre Agenten anzuweisen, unverzüglich den Kampf gegen die Russen aufzunehmen, Mabel Paerson aus ihren Händen zu befreien. Wir sind in der Lage, Ihnen beim Gelingen dieser Aufgabe genaue Informationen über den Stand der russischen Atomversuche zu geben.«
Dr. Hakanaki sah den Unbekannten lange an. Das Gesicht des Fremden lag im Schatten der Schilfgräser.
»Was haben Sie für einen Vorteil, wenn Mabel Paerson befreit wird?«
»Keinen, Dr. Hakanaki. Wir haben keine Mittelsmänner in den Vereinigten Staaten, um selbst in Aktion zu treten. Wir müssen aber agieren, da es unmöglich ist, daß Rußland das Geheimnis der Atomkernspaltung Paersons erhält. Es bedeutete Folgen, die nicht zu übersehen sind.«
»Und bei Japan befürchten Sie das nicht?«
»Nein, Japan wird nie mehr die Macht haben, gegen eine Welt zu ziehen.«
Dr. Hakanaki richtete sich steil auf. »Sie sind sehr ehrlich«, sagte er hart.
»Es ist das einzige Prinzip, auf dem wir eine Zusammenarbeit aufbauen könnten.« Der Unbekannte lachte. »Wissen Sie, was der große französische Schauspieler und Dichter Sascha Guitry einmal sagte? ›Es gibt ein sicheres Mittel, jeder Versuchung ein Ende zu machen‹.«
Hakanaki schüttelte den Kopf. »Und was ist das für ein Wundermittel?«
Der Fremde schien zu lächeln. »Der Versuchung zu erliegen.«
Dr. Hakanaki verzog sein blasses Gesicht. »Sie haben einen
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