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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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und nehme Stattdessen irgendeine hübsch zurechtgelegte, unüberprüfbare Lügengeschichte mit, die für ihn überzeugend klingen wird.«
    Nastja malte mit dem Griff ihrer Gabel irgendwelche Schemata auf die glatte Kunststoffoberfläche des Tisches, irgendwelche nur ihr verständlichen Kringel und Rhomben. Tatjana störte sie nicht, sie spülte das Geschirr, murmelte etwas vor sich hin, rührte einen flüssigen Teig an, aus dem sie später Plinsen für ihren Mann braten würde, und legte geschnittene Zwiebeln in gesüßtem Essig ein. Endlich hob Nastja den Kopf, zwinkerte Tatjana zu, rief den Untersuchungsführer an und machte sich auf den Heimweg.
    * * *
    Auf der Datscha ging Tomtschak spät zu Bett und stand spät auf. Wenn er morgens aufwachte, blieb er noch lange unter der Decke liegen. Früher waren ihm solche Angewohnheiten fremd gewesen. Erst jetzt, nachdem er zum ersten Mal im Leben ohne Arbeit war, schob er morgens den Moment hinaus, in dem er einen neuen Tag beginnen musste, einen Tag voll trauriger Tatenlosigkeit und tatenloser Trauer. Slawa Tomtschak wusste, dass es nicht gut für ihn war, sich so hängen zu lassen, er musste sich aufraffen und auf Arbeitssuche gehen, sich anbieten, Freunde und einstige Arbeitskollegen anrufen. Aber er tat nichts. Er kam einfach nicht gegen die Depression an, fühlte sich völlig schlaff und kraftlos. Eine Woche nach seinem freiwilligen Ausscheiden aus dem Fonds hatte er mit Erstaunen festgestellt, dass sein Privattelefon aus irgendeinem Grund nicht heiß lief, dass niemand anrief und ihm eine neue Stelle anbot. Wahrscheinlich hat sich die Neuigkeit noch nicht herumgesprochen, beschwichtigte sich Tomtschak. Doch nach zwei Wochen begriff er, dass niemand an ihm interessiert war. In Erfüllung seiner männlichen Freundschaftspflicht hatte er sein Gesicht und seine Qualifikation als Wissenschaftler verloren, an der er so viele Jahre mit Inbrunst gearbeitet hatte, und in der Verwaltungstätigkeit hatte er sich noch keinen Namen gemacht. Alles war ganz einfach und primitiv und bestätigte exakt die Voraussagen seiner Frau Larissa.
    Sicher, vor ein paar Tagen war Wolodja Strelnikow bei ihm erschienen und hatte sowohl ihm als auch Leontjew neue Posten in Aussicht gestellt. Aber Tomtschak glaubte nicht daran. Leere Worte, billiger Trost für die Bemitleidenswerten. Wolodja wollte neue Gipfel erstürmen, und seine treuen Freunde sollten wieder die Drecksarbeit für ihn machen, sie sollten ihm den Weg frei schaufeln. Du lieber Gott, es konnte doch nicht ewig so weitergehen! Wäre das Unglück mit Mila nicht passiert, wäre Strelnikow wahrscheinlich gar nicht zu ihm gekommen, er hätte sich gar nicht an ihn erinnert. Bestenfalls hätte er ihn in dem Moment angesprochen, in dem er seinen neuen Posten angetreten und wieder seine Lakaien gebraucht hätte, seine Sklaven. Wie gelang es ihm nur immer wieder, Worte zu finden, die es unmöglich machten, ihm etwas abzuschlagen? Selbst wenn es klappen sollte mit der neuen Arbeit, würde alles wieder auf dasselbe hinauslaufen: völlige Abhängigkeit von Strelnikows unberechenbaren Launen und Entscheidungen, wieder Streit mit Larissa, und von der Wissenschaft konnte er sich dann endgültig verabschieden. Obwohl es endgültiger als jetzt sowieso nicht mehr ging.
    Er drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen wieder. Er wollte den neuen Tag nicht beginnen. Vielleicht würde es ihm gelingen, noch ein wenig zu schlafen. Von draußen drang das Geräusch eines Autos zu ihm, aber er achtete nicht darauf. Niemand konnte frühmorgens an einem Werktag etwas von ihm wollen. Doch er irrte sich. Der Wagen hielt direkt vor seinem Haus, er vernahm Stimmen und kurz darauf lautes, entschiedenes Klopfen an seiner Tür.
    »Wjatscheslaw Petrowitsch! Sind Sie zu Hause? Öffnen Sie bitte.«
    »Einen Moment«, rief Tomtschak, schlug unwillig die Decke zurück und kroch aus dem Bett in den kalten Herbsttag, der für ihn weder Arbeit noch Freude bereithielt, sondern nur graue Eintönigkeit. Und zusätzlich vielleicht irgendwelchen Ärger, der jetzt an die Tür klopfte.
    Er schlüpfte in einen Trainingsanzug, schob seine Füße in Badeschuhe und schlurfte zur Tür. Draußen stand ein bebrillter, etwas gebückter Mann in einem zerknitterten Anzug, er wirkte verlegen, verwirrt und völlig linkisch. Hinter ihm bauten sich noch vier weitere Gestalten auf. Eine davon erkannte Tomtschak, es war der Kripobeamte, der sich nach Milas Tod mit ihm unterhalten

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