Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
wartete seine Antwort nicht ab. »Wir töten ihn. Punkt.« »Sie denken wie ein Polizist, Anita.« Das war ein großes Kompliment von Dolph, und ich nahm es als eines.
Es spielte keine Rolle, was der Zombie zu Lebzeiten gewesen war. Er war also Animator oder sogar Voodoopriester gewesen. Na und? Jetzt war er eine Tötungsmaschine. Er hatte nicht mich getötet, hatte mir nichts getan, aber ich durfte mir nicht erlauben, den Gefallen zu erwidern.
Weiter weg hallten Schüsse. Irgendeine Eigenheit der sommerlichen Luft brachte ein Echo hervor. Dolph und ich sahen uns an. Ich hielt die Browning noch in der Hand. »Tun wir's.« Er nickte.
Wir fingen an zu laufen, aber er ließ mich bald hinter sich. Seine Beine waren doppelt so lang wie meine. Ich konnte nicht mithalten. An Ausdauer wäre ich ihm vielleicht überlegen, aber mit seiner Schnelligkeit konnte ich es nicht aufnehmen. Er blickte sich zögernd nach mir um.
»Los, rennen Sie«, sagte ich.
Er legte noch einen Zahn zu und verschwand in der Dunkelheit. Er drehte sich nicht einmal um. Wenn man ihm sagte, es sei in Ordnung, im Dunkeln mit einem frei herumlaufenden Killerzombie allein zu sein, dann glaubte er einem. Zumindest mir.
Das war zwar ein Kompliment, aber so war ich zum zweiten Mal an diesem Abend allein draußen. Rufe kamen aus entgegengesetzten Richtungen. Sie hatten ihn verloren. Verdammter Mist.
Ich lief langsamer. Ich hatte kein Verlangen, blindlings in den Zombie hineinzurennen. Er hatte mir beim ersten Mal nichts getan, aber ich hatte ihm mindestens eine Kugel in den Leib gejagt. Selbst Zombies werden wegen solcher Dinge grantig.
Ich stand in der kühlen Dunkelheit unter einem Baum. Ich war am Rand des Wohngebiets angekommen. Ein Stacheldrahtzaun durchschnitt das Gelände. Ackerland erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Wenigstens waren auf dem Feld nur Bohnen angepflanzt. Der Zombie hätte sich flach auf den Boden legen müssen, um sich zu verstecken. Ab und zu sah ich die Taschenlampen der Polizisten aufblitzen, aber sie waren alle mindestens fünfzig Meter weit weg.
Sie suchten am Boden, weil ich ihnen gesagt hatte, dass Zombies nicht gerne klettern. Aber dies war kein gewöhnlicher Zombie. Über mir im Baum raschelte es. Meine Nackenhaare kribbelten. Ich fuhr herum, mit der Pistole nach oben zielend.
Er knurrte mich an und sprang.
Ich feuerte zweimal, bevor mich sein Gewicht traf und uns beide zu Boden riss. Zwei Kugeln in die Brust, und er war nicht einmal geschwächt. Ich feuerte ein drittes Mal, aber ich hätte ebenso gut eine Wand treffen können.
Er knurrte mir ins Gesicht, unvollständige Zähne mit dunklen Flecken, der Atem so stinkend wie ein geöffnetes Grab. Ich schrie und drückte ab. Die Kugel traf ihn in die Kehle. Er hielt inne, versuchte zu schlucken. Etwa die Kugel?
Funkelnde Augen starrten auf mich nieder. Sie strahlten etwas aus wie Domingas gefangene Seelen. Es schaute jemand aus diesen Augen heraus. Wir erstarrten für jenen illusionären Augenblick, der Jahre dauert. Er saß rittlings auf mir, die Hände an meinem Hals, drückte aber nicht zu, tat mir nicht weh, noch nicht. Ich hielt ihm die Pistole unter das Kinn. Keine einzige Kugel hatte ihm geschadet, warum dann diese?
»Wollte nicht töten«, sagte er sanft, »habe zuerst nichts verstanden, nicht gewusst, wer ich bin.«
Die Polizei stand zögernd auf beiden Seiten. Dolph schrie: »Nicht schießen, nicht schießen, verdammt!«
»Ich brauchte Fleisch, brauchte es, um mich zu erinnern. Habe versucht, nicht zu töten. Versucht, an all den Häusern vorbeizugehen. Es waren zu viele«, flüsterte er. Seine Hände spannten sich an, schmutzige Fingernägel bohrten sich in meine Haut. Ich schoss ihm ins Kinn. Sein Körper machte einen Ruck, aber seine Hände quetschten meinen Hals.
Drückten, drückten, fester, fester. Ich sah bereits weiße Sterne explodieren. Das nächtliche Schwarz verblasste zu Grau. Ich setzte die Mündung an seine Nasenwurzel und drückte ab, wieder und wieder.
Mir schwanden die Sinne, aber meine Hände spürte ich noch, wie sie den Abzug betätigten. Dunkelheit überkam mich und schluckte die Welt. Ich konnte meine Hände nicht mehr spüren. Schreie drangen in mein Bewusstsein, schreckliche Schreie. Der Gestank von verbranntem Fleisch und Haaren belegte meine Zunge so dick, dass ich würgte.
Ich tat einen tiefen, bebenden Atemzug, und es schmerzte. Ich hustete und
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