Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Straße. Die Sicht war begrenzt; jeder Wagen, der aus dem Hof auf die Straße wollte, musste den Bürgersteig überqueren. Vorsichtig rollte Gervase vor, während er aufmerksam nach Fußgängern Ausschau hielt – und als Resultat beinahe eine Frau auf einem altmodischen Fahrrad übersehen hätte, die vor ihm die Straße entlangfuhr. Er bremste im Bruchteil einer Sekunde. Das Fahrrad wankte, ein paar Bücher in dem Korb am Lenker purzelten heraus, und die Fahrerin stellte einen Fuß auf die Straße und funkelte Gervase böse an.
Er öffnete die Wagentür und stieg halb aus. »Alles in Ordnung?«, rief er. »Tut mir leid!«
»Das ist eine sehr gefährliche Ausfahrt«, antwortete die Frau. »Sie müssen besser aufpassen, junger Mann!«
»Aber ich habe aufgepasst«, erwiderte Gervase unklugerweise.
»Nicht genug!«, schnappte die Frau. Sie stieg von ihrem Rad. Unter ihrer gefütterten Jacke trug sie etwas, das aussah wie eine Uniform.
Gervase erkannte, dass sie die Bücher von der Straße aufsammeln wollte, und eilte herbei, um es vor ihr zu tun, doch sie war schneller. Dann stand sie da, mit den Büchern – die aussahen wie aus der Leihbücherei – in den Händen. Sie kam ihm vage bekannt vor, doch er konnte sie nicht zuordnen. Sie musterte ihn ebenfalls eingehend.
»Gervase Crown!«, sagte sie zu guter Letzt. »Mein Mann hat mir erzählt, dass Sie wieder da sind!«
»Gütiger Himmel, Mrs Layton!«, sagte Gervase. »Waren Sie in der, äh, Bücherei?«
»Ja. Unsere Gemeindebücherei wird jetzt von Freiwilligen besetzt. Die Kürzungen, Sie wissen schon.«
»Kürzungen?«
»Haushaltskürzungen. Es ist unwürdig, keine Frage, aber wir betreiben unsere Gemeindebücherei, solange es nur irgendwie geht.« Sie blickte auf die Bücher. »Obwohl es uns nicht gerade hilft, wenn die Bücher beschädigt werden.«
»Sind sie das?«, fragte Gervase. »Ich ersetze die verdammten Dinger, wenn es nötig ist.« Es waren, wie er mit einem Blick feststellte, beides Kriminalromane.
»Nein, nein, es ist nichts dran!«, sagte sie in scharfem Ton und wischte die Umschläge ab, bevor sie die Bände in den Fahrradkorb zurücklegte. »Wie lange haben Sie vor in Weston St. Ambrose zu bleiben?«, fragte sie.
»Bis die Angelegenheiten für Key House geregelt sind.«
»Kann das nicht Reggie Foscott für Sie machen?«
»Ich kann meine Angelegenheiten sehr gut selbst regeln, danke sehr«, entgegnete Gervase eisig.
»Hm. Vermutlich können Sie das.« Mrs Layton stieg auf ihren alten Drahtesel. »Passen Sie auf, dass Sie keinen Unfall bauen«, sagte sie mit einem Nicken in Richtung des Mietwagens und radelte davon, bevor er etwas erwidern konnte.
»Dieses Dorf hier …«, informierte Gervase zwei verblüffte Nachsaison-Touristen, die in diesem Moment aus dem Hotel auf die Straße kamen, »… dieses Dorf hier ist die reinste Hölle.«
Sie starrten ihn erschrocken an.
Als Jess sich wenig später von Millie und Monica verabschiedete und die Lounge verließ, blieb sie für einen Moment in der Eingangshalle stehen und blickte sich um. Millie und Monica hatten noch über ihrer Trinkschokolade gesessen und die Speisekarte studiert. Sie hatte nichts essen wollen und sich entschuldigt. Der Kellner hatte anscheinend jeden Versuch eingestellt, ihr eine Bestellung zu entlocken, und sie völlig ignoriert. Ihr Wagen stand hinter dem Haus auf dem Hof, doch Jess wandte sich einem Impuls folgend zum Haupteingang und trat hinaus auf die Straße. Drei Minuten früher, und sie hätte Gervase davonfahren sehen. So jedoch erblickte sie lediglich zwei ältere Touristen, einen Mann und eine Frau, die sich vorsichtig-misstrauisch umblickten.
Sie sagte sich, dass sie die Geschichte überprüfen wollte, die Gervase Crown ihr erzählt hatte, doch im Grunde genommen wusste sie, dass es nackte Neugier war. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Eine halbe Stunde, hatte Gervase gesagt. So lange wollte er gebraucht haben, um zum Friedhof zu laufen, den Grabstein seines Vaters zu finden und hinterher zum Royal Oak zurückzukehren. Er hatte sich nicht auf dem Friedhof aufgehalten.
Die Kirche ragte ein Stück weit vor ihr auf, fast gegenüber von Monica Farrells Cottage. Der Kirchhof lag dunkel, im Schatten großer alter Bäume und überwuchert von einem dichten Gewirr von Vegetation. Lediglich die jüngsten Gräber, wenige an der Zahl und alle dicht beieinandergelegen, waren freigeschnitten und gepflegt. Was den Rest anging, so war es ein ungestörtes Paradies für Flora
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