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Augenblicklich ewig

Augenblicklich ewig

Titel: Augenblicklich ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Neuberger
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Mundwinkel – eine Bewegung, die ihm seltsam vertraut erschien, obwohl er sie zum ersten Mal ausführte – und spähte dann zur Zimmertür hinaus. Das Haus war noch still, und so schlichen Polly und er ungesehen zur Haustür. Sie hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und verschwand, ohne dass jemand bemerkt hatte, dass sie die ganze Nacht über geblieben war. Im gleichen Moment, in dem er die Tür schloss, fühlte Sam sich bereits einsam. Ein Gefühl, das ihm fremd war. Er vermisste Polly und hätte gerne länger ihren undenkbaren und dennoch zweifellos wahren Geschichten gelauscht. Vollkommen fraglos hätte er sie auch nur zu gerne weiter in seinen Armen gehalten und ihren süßen Duft eingeatmet, während er sie küsste.
    Er würde Polly zu einem Spaziergang an der Spree treffen. Doch es war nicht das Gleiche, Polly in der Öffentlichkeit zu sehen, wie sie hier im Haus zu haben. Dort würde er den gebührenden Abstand halten müssen. Sam schnaubte und machte sich auf den Weg ins Bett. Nun, da Polly gegangen war und die Aufregung sich gelegt hatte, merkte er, wie müde er war.

 
    Als er erwachte, war es bereits Mittag. Wahrscheinlich hatte er es seinem gelassenen Gemüt zu verdanken, dass seine Gedanken nicht länger um die Wendung kreisten, die sein Leben in den letzten Tagen genommen hatte. Polly hatte ihm Beweis genug dafür geliefert, dass sie die Wahrheit sagte, und er hatte sich entschlossen, ihr zu glauben. Zweifel hatte er keine mehr. Wie es weiter gehen würde, wusste er nicht. Heiraten war nie eine Option für ihn gewesen, wenn überhaupt eine weit entfernte Möglichkeit. Aber nun? Wenn er Polly richtig verstanden hatte, konnten sie sich nicht voneinander trennen. Sein Gefühl sagte ihm das gleiche. Er vermisste sie beinahe schmerzlich und konnte kaum erwarten, sie wieder zu sehen, sie berühren zu dürfen. Er musste über sich selbst lachen. Er war ihr so schnell ins Netz gegangen. Wäre es einem Freund, wäre es Paul so ergangen, hätte er ihn für seine Dummheit ausgelacht. Nun war er selbst der Dumme. Er fühlte sich allerdings eher wie ein Gewinner. Ob es nun Schicksal war oder nicht, er hatte das Gefühl, von sich aus in Pollys Nähe sein zu wollen und nicht, weil er dazu bestimmt war.
    Im Esszimmer traf er auf seinen Onkel beim Mittagessen, der ihn mit einem Lächeln begrüßte.
    »So häufig wie in letzter Zeit haben wir uns im ganzen letzten Jahr nicht beim Essen gesehen.«
    Sam lachte. »Nicht, dass daraus noch eine Gewohnheit wird.« In Wahrheit war er froh, mehr Zeit mit seinem Onkel zu verbringen. Auch wenn Polly derzeit den größten Teil seiner Gedanken einnahm, liebte er den Mann wie einen Vater und war gern mit ihm zusammen.
    »Mit deinen Fotos scheinst du mächtig Eindruck bei der jungen Dame gemacht zu haben.«
    Sam zog fragend die Augenbrauen in die Höhe, woraufhin sein Onkel auf die Zeitung neben seinem Teller deutete.
    »Sie hat über dich geschrieben.«
    Sam hechtete von der Tür aus zu seinem Platz und griff nach der Zeitung. Sein Onkel hatte die entsprechende Mitteilung nach oben gefaltet, sodass er keine Probleme hatte, sie zu finden. In einer kleinen Notiz wies die Zeitung darauf hin, dass ein aufstrebender und sehr talentierter Fotograf seine Bilder in einer kleinen Galerie ausstellen würde. Es folgten der genaue Termin und die Anschrift der Galerie sowie der Hinweis, dass Liebhaber moderner Kunst sich die Ausstellung auf keinen Fall entgehen lassen durften. In der Verfasserzeile fand Sam Pollys Namen. Ein warmes Kribbeln breitete sich in Sams Körper aus. Das hatte Polly allein für ihn getan. Noch bevor sie wusste, ob er ihr und ihrer Geschichte Glauben schenken oder ihr überhaupt eine Chance geben würde, sie zu erzählen.
    »Sie scheint dich zu mögen«, riss sein Onkel ihn aus seinen Gedanken.
    »Sieht ganz so aus.«
    »Und du? Magst du sie?«
    »Vielleicht mehr als ich sollte«, antwortete Sam und verließ ohne eine weitere Erklärung das Esszimmer. Das Lachen seines Onkels begleitete ihn. Zweifellos hatte der Mann Freude daran, zu sehen, wie Sam sich entgegen seiner Aussagen nun doch auf eine Frau einließ.
    Auf dem Weg zur Spree kaufte er sich ein Brötchen und aß es ungeachtet gängiger Gepflogenheiten im Gehen, wofür er einige entrüstete Blicke erntete.
    Polly erwartete ihn am Ufer. Ihre Augen leuchteten auf, als sie ihn sah. Auch er freute sich, endlich wieder in ihrer Nähe zu sein. Allein der Gedanke, die nächsten Stunden mit Polly zu verbringen,

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