Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
paar Augenblicken hatte sie sich über genau dieses Verhalten beschwert. Wie schnell Sie vergessen! Die Mutter in ihr wollte schon mit einem strengen Verweis reagieren, aber dann sprach sie doch eine eher sanfte Ermahnung aus: »Also gut, wenn Sie jetzt nicht sofort damit aufhören, muß ich Sie auf den Boden zurückholen.« Sie wies auf eine Schublade. »Da drin sind die Löffel.«
Janie fand den Eisportionierer an seinem üblichen Platz und füllte die beiden Schalen. Sie setzten sich damit zu beiden Seiten vor Virtual Memorial an den Küchentisch. »Den ganzen Tag habe ich nichts von Ihnen gehört, deswegen dachte ich, ich komme mal schnell vorbei«, begann Kristina.
»Ich hatte heute viel zu tun und sowieso mit Ihnen gerechnet – Ihre Nachricht von heute nachmittag ist angekommen. Und gestern hatten Sie mir gesagt, Sie würden sich heute abend sehen lassen, wissen Sie das nicht mehr?«
Janie merkte sofort, daß Kristina sich versteifte. Das Mädchen antwortete nicht auf die Frage, sondern reagierte mit einer Gegenfrage, die etwas defensiv klang. »Womit hatten Sie denn so viel zu tun?«
Janie versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen, obwohl die Wendung, die das Gespräch nahm, sie beunruhigte.
»Morgens habe ich in der Stiftung gearbeitet, dann hatte ich einen privaten Termin und bin mit einem alten Freund wandern gegangen ….«
»Sie wandern gern?«
»Oh, wußten Sie das nicht? Na, das ist aber mal eine angenehme Abwechslung – nein, scharf drauf bin ich nicht. Aber jemand hat mich eingeladen.«
Vermutlich wissen Sie auch, wer, dachte sie.
»Außerdem mußte ich – ein bißchen Dampf ablassen. Übrigens, V. M. hatte ich die ganze Zeit bei mir. Und heute abend habe ich mir ein paar der demographischen Auswertungen angesehen.« Sie. machte eine kurze Pause. »Und eine genetische durchführen lassen.«
Bei dieser Information veränderte sich Kristinas Gesichtsausdruck. »Haben Sie irgendwas gefunden?«
Janie drehte den Bildschirm des Computers so, daß auch Kristina ihn gut im Blickfeld hatte. »Schauen Sie«, sagte sie, »und entscheiden Sie selbst.«
Das Display zeigte lauter ausgewählte Ergebnisse – Graphiken, Listen, Reihenfolgen. Janie berührte eine Stelle des Bildschirms, und sofort erschien eine Graphik, die alle bisherigen Daten zusammenfaßte sowie das Auftreten von Ähnlichkeiten zeigte. »Hier haben wir eine geographische Spitze, aber das wußten wir ja schon; meiner Ansicht nach ist das eher zufällig, einfach ein sekundäres Resultat auf der Basis wichtiger gemeinsamer Faktoren. Ich denke, man kann ruhig sagen, daß an der Ostküste mehr Juden leben als im Bibergürtel.« Sie berührte eine bestimmte Spitze der Graphik, und in einem Fenster erschienen wichtige Details der betreffenden Daten. »Der wichtigste gemeinsame Faktor ist immer noch Camp Meir, und sie waren, wie Sie an dieser Zeile sehen können, alle im selben Jahr dort, ummittelbar vor dem ersten Ausbruch von MR SAM.«
Kristinas Stimme klang eine Spur enttäuscht: »Aber damit hatten wir doch mehr oder weniger gerechnet.«
»Ich weiß«, meinte Janie. »Nichts davon überrascht mich. Und offen gestanden glaube ich nicht, daß wir in den demographischen Daten mehr finden als das. Es scheint eine Sackgasse zu sein. Ein bißchen mehr könnte bei den Krankengeschichten herauskommen, da die noch nicht alle vollständig sind – aber ich habe nicht das Gefühl, daß das etwas Weltbewegenderes zutage fördern wird. Doch wir werden sie uns ansehen, denn ich könnte mich ja auch irren … ist schon vorgekommen.«
Sie rechnete mit Kristinas Erheiterung, aber das Mädchen war ganz auf den Bildschirm konzentriert. Also holte Janie tief Luft und fuhr fort: »Aber … hier, hier denke ich, daß wir an der richtigen Stelle suchen.« Sie berührte wieder den Bildschirm, diesmal bei dem Symbol für die genetische Auswertung. Eine Reihe von Optionen erschien. »Da sind ein paar interessante Dinge aufgetaucht.«
Kristinas Züge spannten sich noch mehr an, als sie die Information auf dem Bildschirm las. Vorzeitige Falten erschienen auf ihrer Stirn, während ihre Augen von Zeile zu Zeile huschten. »Die genetischen Auswertungen kann ich immer kaum erwarten, bis ich draufkomme, was sie bedeuten könnten.« Es folgte ein besorgter Blick auf Janie. »Hier sehe ich ein paar Krebsfälle.« Sie ließ ihren Finger über den Bildschirm gleiten und prüfte Spalte um Spalte.
»Hier Darmkrebs, da Hodenkrebs, aber das ist wohl nicht so
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