Birne sucht Helene
nicht mehr fertig, totes Tier zu kochen. Paul war längst klar, dass die Neon-Klamotten und Tines überraschendes Auftauchen bei seinem Date mit Eli Teil ihres Plans gewesen waren. Doch er allein hatte den Vogel abgeschossen – wie er später durch Dave erfuhr. Wie konnte er nur überhören, dass sie Vegetarierin war? Was hatte er sich in diesem Moment nur gedacht? Oder war er dem Sekundenschlaf anheimgefallen?
Und Dave hatte seine Chance eiskalt genutzt. Dieser Verräter, diese Natter, die Paul an seiner Brust genährt hatte, dieser abgemagerte Dicke, dieser weichgespülte Charmeur, dieser penetrante Grinser. Dieser Eli-Ausspanner.
Dieser Abend hatte Pauls Leben verändert. Nur anders als gedacht. Das Schicksal hatte mit seiner dicken Pranke auf den Tisch gehauen und zwei Paare zusammengeführt. Einspruch sinnlos. Paul tauchte den Bärlauch auf brutalste Art und Weise im kochenden Sud unter.
Das hier hätte er an dem Abend kochen sollen. Dann wäre er heute mit Eli zusammen. Aber vielleicht war es ja besser so. Fish-Mac war auf jeden Fall dieser Meinung. Schließlich war Tine bei Facebook und bei Stayfriends, ja sie twitterte sogar. Eine Frau nach seinem Geschmack. Jeden Tag schickte Fish-Mac Mails mit neuen Infos über sie, ihre Freundinnen, ihre ehemalige Schule und einfach über alles, was mit Tine zu tun hatte. Big Fish-Mac was watching her.
Paul wog die Graupen für das Risotto ab. Aufs Gramm genau. Dabei sah er sein Spiegelbild im glänzenden Stahl der Küchenwaage. Den neuen Paul Birnbaum 2 . 0 . Das Upgrade mit neuem Design und verbesserter Rezeptur – dafür etwas teurer. Die Haare kürzer geschnitten, jeden Morgen mit Gel in Form gebracht, das Hemd mit gestärktem Kragen, ein modischer, marineblauer Pullover darüber. Er sah aus wie ein Investmentbanker beim Segeltörn vor Sylt. Die Verbesserung konnte sogar Paul erkennen, doch irgendwie … war er das nicht. Klar, er sah sexy und attraktiv aus, was zur Abwechslung mal angenehm war. Aber er wusste nicht wirklich damit umzugehen. Mit den interessierten Blicken der Kolleginnen, dem Neid der Kollegen, die Tine alle selber gerne eingefangenhätten, und wenn nur für eine Nacht. Verständlich. Sie war im Bett eine echte Kunstturnerin, Abteilung Rhythmische Sportgymnastik. Im Gegensatz zu den Olympiagewinnerinnen hatte sie allerdings bedeutend mehr Oberweite. Die Juroren in der KFZ -Zulassungsstelle Köln-Poll zogen für diese hohe Punktnoten.
Paul stellte die Waage zurück in den Schrank und sah sich noch mal in Tines Wohnung um. Sie war nicht in Rot, wie er befürchtet hatte, es gab auch keine Teddybären auf dem Bett, die plüschigen Erotik-Killer aus der Spielwarenabteilung. Tine hatte sich wirklich nett eingerichtet, geschmackvoll, mit vielen Pflanzen, die Wände in unterschiedlichen Farben gestrichen, der Kühlschrank groß – und der Fernseher riesig. Hier konnte ein Mann glücklich sein.
Allerdings waren Tines Nachbarn von unten schlimm, die Winklers. Sie liefen ihm fast jeden Tag über den Weg. Die zwei sahen blendend aus, hatten gutbezahlte Jobs in der Kreativbranche, waren eloquent und witzig, konnten natürlich super kochen, stritten nie und trainierten regelmäßig. Sie wirkten immer wie frisch aus der Maske und top ausgeleuchtet. Menschen aus einem Hochglanzprospekt für Arschlöcher. Vielleicht waren sie Roboter aus dem Sternensystem Alpha Centauri? Aber würden die ausgerechnet in Köln-Sülz leben wollen? Und nicht lieber unter einer Kokosnusspalme auf Hawaii?
Paul vermisste seine Unordnung, den letzten, sich jetzt ständig versteckenden Goldfisch, seine Schildkröte Freddy natürlich und sogar R 2 -D 2 , der die Goldfischpopulation so rasant dezimiert hatte. Einmal hatte er ihn erwischt, als sich eine noch wackelnde Flosse zwischen seinen Raubtierzähnen verfangen hatte. Der kleine Räuber. Jetzt kackte er vermutlich aus lauter Protest auf Pauls CD -Sammlung. Wer konnte es ihm verdenken? Katzen brauchten ihren Menschen, und sei es auch nur, um ihn vollzuhaaren.
DasRisotto war fertig, und Paul nahm den Kartoffel-Crumble in Angriff. Er hatte noch Zeit, bis Tine kam. Am verkaufsoffenen Sonntag ging sie natürlich shoppen, mit ein paar Freundinnen. Männer störten dabei nur. Entschieden sich viel zu schnell. Diskutierten nicht stundenlang. Hassten es, Sachen anzuprobieren. Mit einem Wort: untauglich. Zum Glück!
Pauls Handy klingelte. Er trocknete sich kurz die Hände an der Kochschürze ab und ging dran. Es war Rainer, er hielt
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