Blut klebt am Karlspreis
stand. Der AZ-Reporter war verschwunden. Es gab wohl niemand in der Runde, der mich vielleicht unterstützen würde. Schweigend verließ ich den Raum und stolperte durch den dunklen Hausflur hinaus auf die Straße. Bloß weg von hier, sagte ich mir und ging in Richtung Normaluhr.
Mit meinen Gedanken war ich noch bei Brandmanns kurzer, aber deutlicher Rede, als ich an einer Kreuzung vom Gehweg auf die Fahrbahn treten wollte. Anscheinend hatte ich im diffusen Licht meine Schrittlänge falsch taxiert. Ich rutschte an der Bordsteinkante ab und knickte mit dem Fußgelenk um. Ich glaubte, einen Knall zu hören und verspürte im linken Knöchel einen stechenden Schmerz. Schon lag ich der Länge lang auf dem Kopfsteinpflaster. Ich wollte mich aufrappeln, konnte aber nicht auftreten. Der Schmerz trieb mir die Tränen ins Gesicht, als ich auf einem Bein zum nächst gelegenen Hauseingang humpelte und den Klingelknopf drückte.
Einen Bänderriss, einen schönen, glatten Bänderriss diagnostizierte der Notarzt, der mich vor Ort untersuchte. „Am besten sofort ins Krankenhaus und morgen unters Messer. Dann haben Sie es wenigstens hinter sich.“
Der Rettungswagen brachte mich ins Luisenhospital, wo ich in einem Einzelzimmer abgelegt wurde. Meine Bitte nach einem Telefon blieb erfolglos. Doch versprach mir die Nachtschwester, ständig bei meiner Freundin anzurufen.
Noch am Abend brachte mir Sabine die notwendige Nachtkleidung und eine Zahnbürste. Ich hatte Mühe, sie wieder nach Hause zu schicken. Am liebsten wäre Sabine in der Nacht bei mir geblieben und auch bei der Operation am nächsten Morgen.
Ich war froh, als sie kurz nach Mitternacht endlich ging und ich die Augen schließen konnte.
Die Operation verlief reibungslos. Schon nach wenigen Tagen könnte ich nach Hause, versprach mir der Orthopäde. „Viel Bettruhe und nur das Allernötigste auf Gehhilfen erledigen“, gab er mir als medizinische Verhaltensregel mit auf den Weg, als Sabine mich endlich abholen konnte.
Von Ruhe und Zurückhaltung konnte jedoch keine Rede sein. Dafür passierten zu viele haarsträubende Dinge in meiner Umgebung, die ich nicht in der von mir gewünschten Art und Weise beeinflussen konnte. Mehr als einmal verfluchte ich die Krücken, deren Handhabung fast schon eine Wissenschaft für sich war.
Die unangenehmen Überraschungen fingen schon am Tag nach der Operation an, als ich die Tageszeitungen aufschlug, die mir Sabine am Morgen ans Krankenbett gebracht hatte.
In Brandmanns Haus hatte es einen erneuten Zwischenfall gegeben. Haarscharf seien die Studenten an einer Katastrophe vorbeigeschrammt, so schrieb die AZ über eine gefährliche Manipulation an der Gasleitung. Im Keller war die Zuleitung durchtrennt worden. Glücklicherweise hatte die Studenten das ausströmende Gas noch rechtzeitig bemerkt.
„Das war ein glatter Mordversuch“, lautete ein Zitat in der AN. Ein Student, der nach Mitternacht zur Monheimsallee gekommen sei, habe jemanden beobachtet, der mit einem Werkzeugkoffer in der Hand aus dem Haus getreten und in einen wartenden Lieferwagen gestiegen sei. Eine nähere Personenbeschreibung war dem Studenten nicht möglich. Misstrauisch habe er das Haus durchsucht und sei dann im Keller auf die defekte Gasleitung gestoßen, aus der leise das Gas ausströmte.
Wie die STAWAG der Presse erklärte, hätte es leicht zu einer gewaltigen Explosion kommen können, wenn sich am Morgen genügend Gas im Keller gesammelt hätte und irgendwo im Haus ein Funke gezündet worden wäre. „Das Haus wäre wahrscheinlich komplett in die Luft geflogen“, stellte ein STAWAG-Mitarbeiter fest.
Dem AZ-Reporter war es gelungen, Brandmann zu befragen. Der Immobilienmakler äußerte seine Betroffenheit und versicherte einmal mehr, dass derartige Anschläge nicht in seinem Sinne seien. Nach wie vor bestehe er allerdings darauf, dass die Hausbesetzer sein Eigentum räumten, Mitleid sei insofern fehl am Platze. „Ich werde mein Recht mit rechtsstaatlichen Mitteln durchsetzen“, sagte er in dem Zeitungsinterview, in dem er zugleich sein Angebot bekräftigte, den Studenten neue Wohnungen zu vermitteln. „Heute ist der letzte Tag, an dem mein Angebot gilt“, meinte Brandmann abschließend.
Ich war gespannt, ob und welche Studenten auf ihn zugehen würden.
Niemals, so hatten sie zuvor in einem Rundfunkgespräch getönt, würden sie sich darauf einlassen. Das Angebot sei doch ein durchsichtiges
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