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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Dass sie endlich etwas
unternehmen konnte. Und jetzt saß sie im Bus, der fuhr gerade aus der Stadt hinaus,
an Marktständen und Eisdielen und Supermärkten vorbei. Menschen standen vor Auslagen
und warteten an Ampelkreuzungen, als ob nichts geschehen wäre. Dann fuhr der Bus
in die Hügel hinein, die Sonne schien, sie zockelten hinter einem Traktor her, bis
der in ein Feld abbog. An allen Haltestellen warteten Fahrgäste, in Hof stiegen
zwei Frauen zu und setzten sich in die Bank direkt hinter Anna. Sie unterhielten
sich so aufgeregt, dass sie es nicht überhören konnte.
    »Das hat
ja einmal so kommen müssen«, sagte die eine Frau. »Mich wundert das gar nicht.«
    »Hast schon
gelesen, was sie in der Zeitung schreiben?«, fragte die andere. »Ausgeweidet ist
er worden wie ein Stück Wild, wie ein Hirsch. Der war doch so ein begeisterter Jäger.«
    »Genau.
Ich hab gehört, dass das vielleicht sogar Tierschützer waren, so radikale, die den
…«
    Anna saß
da und starrte auf das Gesicht, das sich in der Scheibe neben ihr spiegelte. Das
Gesicht starrte zurück, mit weitaufgerissenen Augen. Sie hätte sich beinahe nicht
erkannt.
     
    *
     
    Die Sitzung war endlich vorüber,
sie verließen das große Zimmer, die Beamten aus der Hauptstadt standen zusammen
und unterhielten sich leise. Polizeidirektor Grabner, den alle nur ›der Präsident‹
nannten, nickte Pestallozzi zu. »Kommen Sie doch auf einen Moment in mein Büro,
ja?«
    Pestallozzi
folgte seinem obersten Vorgesetzten in das sonndurchflutete Zimmer mit Fenstern
nach zwei Seiten, die einen prachtvollen Ausblick auf die Dächer der Stadt freigaben.
Ein gewaltiger Schreibtisch stand quer im Raum auf einem dunkelroten Teppich, dahinter
ein Stuhl aus Chrom und schwarzem Leder mit Armlehnen, davor zwei einfache Sessel.
In der Ecke wucherte ein Ficus Benjamini bis zur Decke, eine Federzeichnung von
Paul Flora war der einzige Wandschmuck. Die Venedigskizze war ein Geschenk der Kollegen
zum 50. Geburtstag vom Präsidenten gewesen, er hatte sich offensichtlich gefreut
darüber.
    Grabner
wies kurz auf einen der Sessel vor seinem Schreibtisch, dann nahmen sie beide Platz.
Sie sahen sich in die Augen.
    »Jetzt könnte
man eine Zigarette brauchen«, sagte Grabner.
    Sie grinsten
sich an, die Anspannung ließ nach, wenigstens für diesen winzigen Augenblick. Sie
hatten beide mit dem Rauchen aufgehört, Pestallozzi schon vor Jahren, der Präsident
erst zu Ostern, nach einem Lungeninfarkt. Aber jetzt eine Zigarette …
    »Scheiße«,
sagte der Präsident. »In einem Jahr geh ich in Rente und jetzt das. Das hat mir
gerade noch gefehlt. Wissen Sie, wer mich heute schon um halb sieben in der Früh
angerufen hat? Der Minister!«
    Pestallozzi
sah gebührend beeindruckt drein. Grabner war unter den Kollegen herzlich unbeliebt,
aber welcher Chef war das nicht. Aus allerkleinsten Verhältnissen hatte er sich
hochgearbeitet, vom Streifeschieben auf der Straße bis in diesen Ledersessel mit
Armlehnen. Hatte immer die richtigen Verbindungen gepflegt, das richtige Parteibuch
besessen und war nach und nach den richtigen Klubs beigetreten. Grabner war Lions-Mitglied
gewesen und dann zum Rotarier aufgestiegen, er war beim Verein der Freunde der Salzburger
Festspiele, ja, es wurde sogar von den Freimaurern gemunkelt. Die Fäden im Hintergrund
hatte dabei stets seine Gattin gezogen, eine Hofratstochter, die sich in den kleinen
Polizisten Grabner verliebt hatte und ihn seither beharrlich auf der gesellschaftlichen
Räuberleiter von Stufe zu Stufe schubste. Pestallozzi war ihr schon mehrmals begegnet,
bei Weihnachtsfeiern und beim 50. Geburtstag des Präsidenten, der mit Pomp und Trara
im noblen Peterskeller zelebriert worden war. Er beneidete Grabner nicht um sein
Leben und seine Karriere, beileibe nicht. Aber er schätzte den Mann, der ihm gegenübersaß.
Hinter der Fassade aus Maßanzug und handgenähten Budapesterschuhen hatte sich Grabner
einen unerschütterlichen Kern bewahrt, eine Widerspenstigkeit, die Pestallozzi immer
wieder verblüffte. Der Präsident hatte gelernt, wie man einen formvollendeten Handkuss
ausführte – nur andeuten, ja nicht den Handrücken wirklich küssen! – und wie man
eine Hummerschere handhabte. Aber er hatte trotzdem nicht vergessen, woher er gekommen
war. Versuche der Einflussnahme prallten an ihm ab wie an einer Festung aus Beton.
Als im vergangenen Jahr zwei junge Prostituierte kurz nacheinander erwürgt aufgefunden
worden waren, hatten alle Zeitungen die

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