Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
gepinnt.«
»Nicht Kurt und Murmeli«, hörte Elias sich murmeln.
»Dann wäre da noch der Junge«, sagte Harm widerstrebend. Einen Knirps wie Boris haute man nicht gern in die Pfanne.
»Wie alt ist er?«, fragte Jensen.
»Er wird im Mai elf.«
Olly wiederholte noch einmal, dass Boris es hasste, seine Schwester im Rollstuhl umherzuschieben. Manchmal habe ihn das ganz schön geärgert, hatte eine der Nachbarinnen zu Protokoll gegeben. Da hatte es auch schon mal eine Klopperei und Geschrei gegeben. Geschwister halt. Aber sie hatten ja jetzt die Seen absuchen lassen, wo Boris mit Steffi möglicherweise spazieren gegangen war und wo sie, halb aus Versehen, auch mal hätte hineinrutschen können. Außerdem war das Mädchen mitten in der Nacht verschwunden.
»Und der Rollstuhl ist noch da. Der steht unter der Treppe«, erinnerte Sven. Er hatte zu Hause einjährige Drillinge und deshalb daumenbreite schwarze Ringe um die Augen, die ihm Ähnlichkeit mit Koort-Eike und seiner Hornbrille verliehen.
»Hm«, brummelte Jensen. »Verdächtige von außen?«
»Bis jetzt keinen Anhaltspunkt«, sagte Harm, aber Elias sah, wie Ulf plötzlich leuchtende Augen bekam. Klar, dass es ihm gefiel, wenn die Bösen, sagen wir mal, aus der Verbrecherhochburg Oldenburg kamen. Oder vielleicht sogar aus den Niederlanden.
Elias räusperte sich. »Außerdem wäre da noch das bucklige Männlein.«
»Och nee, hör doch mal auf mit dem Scheiß«, unterbrach ihn Harm. Doch der Chef wollte wissen, was es mit diesem buckligen Männlein auf sich habe, und Elias erklärte es ihm.
»Ein Männlein also, von dem wir wissen, dass es entweder einen Buckel hatte oder keinen und vielleicht auch nur die Ausgeburt eines versoffenen Abends war«, witzelte Ulf.
Ganz unrecht hatte er nicht. Außer wenn man bedachte, wie der kleine, clevere Boris reagierte, sobald man ihn nach dem Männlein fragte …
Jens Jensen trommelte mit seinem Kugelschreiber auf den Tisch. Er war ein zierlicher Mann um die sechzig, und man hätte ihn sich mit seinem Pullunder gut in einem Hörsaal vorstellen können – hochmittelalterliche Dichtung oder so. »Herr Schröder«, sagte er nachdenklich zu Elias, »Sie haben in Hannover in nahezu achtzig Prozent der Fälle maßgeblich zur Aufklärung beigetragen. Das ist eine ordentliche Leistung, außerordentlich sogar, ganz ohne Zweifel. Wenn Sie sich nicht den Knaller mit den Luftballons geleistet hätten, wären Sie dort was geworden.«
»Eher nicht«, meinte Elias klarsichtig.
»Woher hatten Sie die eigentlich? Die Luftballons?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Lauter rote?«
»Nein, nein, das hat sich die Presse ausgedacht.«
»Natürlich«, sagte Jens Jensen.
Damit waren sie entlassen, und weil Hedda ein netter Kerl war und einen Kollegen nicht ausbootete, wenn der Chef sauer auf ihn war, nahm sie Elias mit nach Neermoor.
Dort trafen sie Gitta leider nicht an. Sie war auf einem Spaziergang und hatte vorher einen Stapel Teller die Treppe hinabgeworfen und damit Oma Inse erschreckt. Außerdem hatte sie das Haus zusammengebrüllt und ihrer Familie erklärt, dass sie Sören umbringen würde.
Sören war ihr Nachbar. Er hieß mit Nachnamen van Doom – das setzte ihnen Oma Inse auseinander, als sie versuchten, ein bisschen Klarheit in die Angelegenheit zu bringen. Und natürlich war das mit dem Umbringen nur so eine Redensart gewesen. Kein Mensch brachte jemanden um. Schon gar nicht Gitta. Schon gar nicht einen Nachbarn.
»Ich hätte ihn ganz sicher umgebracht, wenn er zu Hause gewesen wäre. Wenn ich den Scheißkerl nur erwischt hätte«, sagte Gitta, die ihnen atemlos vor Wut auf dem Feldweg zwischen den beiden Grundstücken entgegenkam. Sie begann zu weinen, und Elias war heilfroh, dass Hedda bei ihm war, denn mit ihrem Rock und dem riesigen Busen und der mütterlichen Bluse war sie genau der richtige Mensch in dieser Situation.
Sie setzten sich auf die Bank im Garten, wo die Familie ein Beet umgegraben und neben den Furchen Kartoffeln zum Einbuddeln parat gelegt hatte, und dann rückte Gitta mit der ganzen Sache raus. Dass Sören van Doom, ihr Nachbar, sie nämlich fertigmachen wollte.
»Jetzt ist mir alles glasklar«, sagte sie und stocherte mit der Turnschuhspitze in der festgetrampelten Erde des Weges, der den Garten wie ein Mondkanal durchzog. »Sören ist nämlich eiskalt. Und damit meine ich: richtig eiskalt. Wie die Mafia. Ohne jedes menschliche Empfinden. Dem kann man alles zutrauen.«
Elias blickte nach
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