Coming Home
stand da, als würde sie sich irgendeinen merkwürdigen Film ansehen. Irgendwie war alles plötzlich ganz weit weg, wie durch eine Nebelwand betrachtete sie sich das Chaos, hörte sich selbst wie durch Watte tadeln: »Lisa, du kannst doch zu Sarahs Vater nicht einfach David sagen«, als wäre das in diesem Moment die einzig wichtige Sache.
»Doch, das ist schon in Ordnung«, lächelte David, und irgendwie brachte dieses Lächeln sie wieder zur Besinnung.
»Hör auf dich einzumischen und mir in den Rücken zu fallen«, fuhr sie ihn unvermittelt an, »du bist doch überhaupt nur schuld an diesem Chaos hier.«
Tränen stiegen ihr in die Augen, abrupt drehte sie sich um und stürzte aus der Küche, rannte über den Flur und die Treppe hinauf.
»Mom«, rief Lisa entgeistert und wollte ihr hinterher laufen, doch David war aufgestanden und hielt sie am Arm fest.
»Lass sie einen Moment, sie hat zurzeit viel Stress und wird sich wieder beruhigen«, erklärte er ruhig. »Wir räumen inzwischen hier auf.«
Er schickte Jamie und Sarah mit Blacky nach nebenan und machte sich dann gemeinsam mit Lisa daran, den Boden sauber zu machen.
»Okay, ich denke, ich werde dann jetzt fahren. Machst du Jamie etwas zu essen und bringst ihn ins Bett?«, bat er anschließend.
Lisa nickte. »Wirst du dich um Mom kümmern?«, fragte sie zögernd.
»Ja, das werde ich«, versprach er, »aber nicht heute, sie braucht erstmal ein bisschen Ruhe.«
»Gut«, sagte Lisa zufrieden, und fügte dann leise hinzu: »Du hast sie immer noch sehr gern, oder?«
Überrascht schaute David sie an, dann lächelte er. »Ja, das habe ich.«
53
A m anderen Morgen saß Megan in ihrem Büro und versuchte, sich auf ihren Auftrag zu konzentrieren, doch sie brachte nicht mal eine grobe Skizze zustande, und ein Blatt nach dem anderen wanderte in den Papierkorb.
Von ihrem Schreibtisch aus konnte sie durch das Fenster genau auf Jamies Baumhaus sehen, und im Geiste sah sie, wie er zusammen mit David daran gearbeitet hatte, und wie liebevoll David mit ihm umgegangen war.
»… es gibt nur noch Sarah und mich …«, spukten Davids Worte immer und immer wieder durch ihren Kopf, »… ich bin nicht mehr mit Cynthia verheiratet …«
Sie war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, und war auch nicht fähig, ihre Gefühle über diese unerwartete Neuigkeit einzuordnen. Immer wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, und als Julie gegen elf Uhr bei ihr vorbei kam, um ihr eine alte Schreibtischlampe vorbeizubringen, die sie noch auf dem Dachboden gefunden hatte, war sie nach wie vor völlig aufgelöst.
»Vielleicht solltest du dich darüber freuen«, sagte Julie, nachdem Megan ihr von den jüngsten Geschehnissen berichtet hatte, »ist es nicht das, was du dir immer gewünscht hast?«
»Ich habe das nie von ihm erwartet, und das weißt du auch«, erwiderte Megan verärgert, »außerdem kommt diese Mitteilung wohl sechs Jahre zu spät.«
»Es ist nie zu spät«, erklärte Julie kategorisch und warf der Freundin einen prüfenden Blick zu. »Du liebst David doch noch, denkst du nicht, dass jetzt vielleicht die richtige Gelegenheit wäre, mal in Ruhe mit ihm zu reden? Ihr solltet euch aussprechen, und mit einigen Dingen reinen Tisch machen.«
Megan wusste genau, dass die Freundin vor allem an Jamie dachte, und hob abwehrend die Hände.
»Jetzt fang bitte nicht wieder damit an. Und außerdem, was soll das denn bringen? Denkst du, ich könnte einfach da weitermachen, wo wir vor sechs Jahren aufgehört haben? So mir nichts, dir nichts, als ob nichts geschehen wäre? Soll ich ihm einfach so verzeihen, dass er mich angelogen hat? Du weißt genau, wie sehr er mich verletzt hat, und das ist nicht mal eben mit einem Gespräch erledigt.«
»Mein Gott Megan, jetzt sei doch nicht so stur. Gib ihm doch wenigstens eine Chance, dir alles zu erklären.«
»Warum? Damit er mich wieder belügt? Ich kann ja noch nicht mal sicher sein, dass er mir dieses Mal die Wahrheit gesagt hat und wirklich nicht mehr mit Cynthia verheiratet ist.«
Julie seufzte. »Das wirst du aber auch nicht herausfinden, indem du weiter schmollst wie ein kleines Kind.«
»Ehrlich gesagt will ich das auch gar nicht«, erklärte Megan schroff, »er soll mich einfach in Ruhe lassen.«
Am darauffolgenden Wochenende fand in der Grundschule das alljährliche Schulfest statt. Obwohl Megan ganz und gar keine Lust hatte, dorthin zu gehen, weil ihr klar war, dass David vermutlich auch da sein würde, konnte sie Jamie zuliebe
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