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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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befinden uns mit England im Krieg«, gab sich der Marquis empört.
    »Was mir vorschwebt, ist eine Art naturphilosophischer Diskurs«, sagte Eliza, »und die Philosophie erkennt keine Grenzen an.«
    »Ah, Ihr schreibt einem Eurer Freunde von der Royal Society?«
    »Ich hatte an einen Dr. Waterhouse gedacht«, sagte Eliza. »Ihm wurde kürzlich der Stein geschnitten.«
    Der Marquis bekam den gleichen entsetzten, schaudernden und zugleich faszinierten Gesichtsausdruck wie alle Männer, wenn das Gespräch auf das Thema Lithotomie kam.
    »Nach dem, was ich zuletzt gehört habe, hat er es überlebt und befindet sich auf dem Weg der Besserung«, fuhr Eliza fort. »Vielleicht hat er Zeit, ein paar müßige Erkundigungen einer französischen Gräfin zu beantworten.«
    »Vielleicht«, sagte der Marquis, »aber ich verstehe nicht, wieso es Euch als Erstes in den Sinn kommt, einem kranken alten Naturphilosophen in London zu schreiben.«
    »Es ist nur das Erste, nicht das Einzige, was ich tun werde«, sagte
Eliza. »Und es lässt sich von Dünkirchen aus leicht machen. Ich würde mit ihm oder sonst jemandem ein Gespräch beginnen, ein Gespräch über Geld: weiches und hartes.«
    »Warum nicht mit einem Spanier? Die Spanier verstehen sich darauf, Geld zu machen, das in der ganzen Welt respektiert wird.«
    »Eben weil das englische Münzwesen so erbärmlich ist, möchte ich die Frage mit einem Engländer besprechen«, gab Eliza zurück. »Kein Mensch hier kann fassen, dass Engländer diese geschwärzten Klumpen als klingende Münze akzeptieren. Und doch floriert der Handel Englands, und das Land ist so wohlhabend wie nur je eines. Deshalb kommt mir England wie ein riesiges Lyon vor: arm an klingender Münze, aber reich an Kredit und blühend dank eines Systems von Papierüberweisungen.«
    »Was ihnen in einem Krieg nichts nützen wird«, sagte der Marquis. »Denn im Krieg muss ein König seine Armeen ins Ausland schicken, an Orte, wo weiches Geld nicht akzeptiert wird. Deshalb muss er ihnen hartes Geld mitgeben, damit sie Fourage und andere notwendige Güter kaufen können. Wie also kann England gegen Frankreich Krieg führen?«
    »Die gleiche Frage ließe sich an Frankreich richten! Mit Verlaub, Monsieur, Frankreichs Geld ist nicht so solide, wie Ihr vielleicht glauben mögt.«
    »Meint Ihr, dieser Dr. Waterhouse weiß Anworten auf solche Fragen?«
    »Nein, aber ich hoffe, er wird sich auf einen Diskurs mit mir einlassen, aus dem sich dann vielleicht Antworten ergeben.«
    »Ich glaube, die Antwort liegt im Handel«, sagte der Marquis. »Colbert selbst hat einmal gesagt: ›Der Handel ist der Ursprung der Finanzen, und die Finanzen sind die Hauptstütze des Krieges.‹ Was unsere Länder nicht mit Barren bezahlen können, werden sie sich mittels Handel beschaffen müssen.«
    » C’est juste, Monsieur, aber vergesst nicht, dass Handel nicht nur mit greifbaren Dingen wie Monsieur Wachsmanns Wachs, sondern auch mit Geld selbst getrieben wird: die Handelsware Lothar von Hacklhebers. Ein nebulöses und abstruses Geschäft und von daher ein geeignetes Studienthema für Fellows der Royal Society.«
    »Ich dachte, man studiert dort nur Schmetterlinge.«
    »Mancher dort, Monsieur, studiert auch Banken und Geld; und ich fürchte, sie sind unseren französischen Lepidopterologen voraus.«

Cap Gris-Nez, Frankreich
    15. DEZEMBER 1689
    Hätte ein Holländer die Landschaft gemalt, hätte er kaum auf Pigmente zurückgreifen müssen: Ein Klacks Möwenscheiße auf einer Bank hätte ihm als Palette dienen können. Der Himmel war weiß, desgleichen der Boden. Die Äste der Bäume waren schwarz, außer dort, wo Schnee an ihnen haftete. Das Château war ein Fachwerkbau, an den meisten Stellen also mörtelweiß, durchzogen von alten Balken, die von der Feuchtigkeit des Schnees Holzkohlenfarbe angenommen hatten. Das Dach bestand aus roten Ziegeln, war jedoch größtenteils schneebedeckt. Da und dort verriet ein triefender See von Rot, dass sich darunter ein Ofen befand. Im Vergleich mit dem, was man sonst an Châteaux zu sehen bekam, war es nicht sonderlich prächtig: ein rechteckiger, zum Kanal hin offener Hof mit Ställen an einer und Dienstbotenquartieren an der anderen Seite, das Ganze zusammengehalten vom Herrenhaus, das genau zum Meer hin lag. Davor fiel das Gelände scharf ab, sodass die Uferlinie nicht zu sehen war: lediglich ein ferner Streifen Salzwasser, der in die weiße Atmosphäre weit vor dem Ufer bei Dover verschwamm.
    Eine

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