Damian
unterbricht Amans Stimme die Stille zwischen Rachel und Damian. „Mein Bruder und ich sehen uns viel zu selten“, fügt er süffisant hinzu. Ein fieses Lächeln spielt um Amans Mund und seine Mimik offenbart ausgeprägte Zufriedenheit, denn er weiß, dass Damian Rachel nichts von ihm erzählt hat. Ohne Damians Antwort abzuwarten tritt Aman einen Schritt auf sie zu.
„Kommen Sie, Rachel, gleich beginnt das erste Rennen.“ Er macht eine einladende Geste und führt sie zu ihren Plätzen direkt an der Rennbahn. Wieder lassen sie sich auf großen, kunstvoll bestickten Kissen nieder und wie aus dem Nichts eilen verschleierte, junge Frauen heran, um ihnen die erlesensten Speisen und Tee zu bringen. Aman erweist sich plötzlich als ausgesprochen charmanter Plauderer und erklärt Rachel die Regeln des Kamelrennes, während Damian Rachel nicht aus den Augen lässt und bewusst nah an sie heran rückt. Fast kommt es ihr vor, als wolle er allen zeigen zu wem sie gehört, dass sie seine Frau ist. Rachel mag solche besitzergreifenden Gesten nicht und als Damian auch noch beginnt die Speisen, die gereicht werden zu begutachten, bevor Rachel auch nur einen Happen in den Mund schieben kann, platzt ihr endgültig der Kragen.
„Was soll das?“, zischt sie ihm zu und entreißt ihm förmlich den Teller, der für sie gedacht war und auf dem köstlich duftendes Lammfleisch und wunderbar gewürzter Reis mit Gemüse darauf warten von ihr verzehrt zu werden.
„Ich traue ihm nicht!“, ist alles, was Damian ihr zuflüstert, während er einen düsteren Blick auf Aman wirft. Rachel folgt seinem Blick und betrachtet Aman, der scheinbar interessiert die Kamele begutachtet, die von ihren Reitern vorgeführt werden. Warum hat sie plötzlich das Gefühl, dass dieses Grinsen auf Amans Lippen eine Genugtuung darstellt? Und warum benimmt sich Damian so seltsam? Und überhaupt, hat Damian ihr noch mehr Dinge verschwiegen, die er ihr hätte sagen müssen. Sie wendet ihren Blick von Aman ab und sieht, wie Damian es sich inzwischen in den Kissen bequem gemacht hat, sich zurücklehnt und grimmig und gedankenverloren zu den Kamelen schaut, die prachtvoll geschmückt von ihren Reitern präsentiert werden. Manchmal wünschte sie sich seine Gedanken lesen zu können.
Rachel widmet sich nun endlich ihrem Essen und versucht Damians Macho-Gehabe und seine Grübelei zu ignorieren. Hier und da bemerkt sie, wie ihnen von mehreren Seiten neugierige Blicke zugeworfen werden und hinter vorgehaltenen Schleiern und Händen geflüstert wird. Manche mustern sie ungeniert und starren sie an. Damian und Aman reden weder miteinander, noch würdigen sie sich eines Blickes. Während Rachel sich bereits den zweiten Teller mit köstlichem Fisch und Beilagen und herrlich duftendem, frisch gebackenem Brot bringen lässt, betrachtet sie die beiden Brüder genauer. Sie versucht Gemeinsamkeiten auszumachen, aber es will ihr nicht wirklich gelingen: sie sind beide groß gewachsen und athletisch gebaut. Beide haben sie schwarze, kurze Haare, hohe Wangenknochen und ein markantes Kinn. Ihr Gesicht ist jeweils geprägt von einer leichten Arroganz, bei Aman fast Hochmut, und beide strahlen etwas aus, das Rachel nur mit Macht und Stärke bezeichnen würde. Und trotzdem sind sie irgendwie vollkommen unterschiedlich. Es gibt einfach keine markante Gemeinsamkeit. Es gibt nichts, woran man festmachen könnte, dass die beiden miteinander verwandt sind. Aber es gibt Unterschiede, prägnante Unterschiede sogar: Damian ist liebevoll und sie fühlt sich sicher, ja sogar geborgen bei ihm. Aman hingegen wirkt eiskalt und gewissenlos. Damians Augen sind lebendig und intensiv. Sie denkt an das faszinierende Farbspiel dieser winzigen, goldenen Flecken in seinen Augen… Und Aman, seine Augen sind nur schwarz und kalt, fast als wären sie tot. Plötzlich dreht Aman den Kopf zu ihr und starrt sie mit genau diesen toten, schwarzen Augen an. Ein heimtückisches, boshaftes Lächeln kräuselt sich um seinen ansonsten perfekten Mund. Rachel würgt den Bissen Fisch, der sich noch in ihrem Mund befindet herunter und versucht diesem fixierendem Blick auszuweichen. Doch auch, als sie bereits den Kopf gesenkt hält, spürt sie immer noch seinen leblosen Blick, der starr auf sie gerichtet ist. Sie fühlt sich derart unwohl, dass sie nach Luft schnappt und versucht ist aufzustehen und möglichst weit davonzulaufen.
„Rachel?“, hört sie Damians besorgte Stimme wie von weit her. Sie greift instinktiv nach
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