Das Böse in dir
Indoktrinierung war. Bald mailten sie einander häufig, und irgendwann gelang es Tee, dank seiner ausgesprochen ehrerbietigen Haltung und ständigen Komplimente, das Vertrauen des Chinesen zu gewinnen. Der Mann mailte ihm Kopien seiner Versuchsreihen mit drastischen Gehirnwäschemethoden, von denen viele gesetzlich verboten waren. Der chinesische Wissenschaftler hatte in heimischen Gefängnissen mit Häftlingen und Dissidenten experimentiert, war also einer der Leute, von denen Yang Wei Tee erzählt hatte. Offenbar hatte er von der Regierung die Genehmigung erhalten, nach Gutdünken vorzugehen. Alles gab er zwar nicht preis, da er sich vor den Konsequenzen fürchtete, doch Tee las alle seine Abhandlungen sowie das einzige Buch, das er veröffentlicht hatte. Es handelte sich um ein von der Fachwelt nicht weiter beachtetes, kurzes Pamphlet, verfasst während seiner Studienzeit. Doch es reichte, um Tee zu neuen Taten anzuspornen.
Tee war fasziniert und hingerissen und fühlte sich in seinen Bemühungen ermutigt. Nach einer Weile machte er den Ärzten klar, dass er geheilt war, kehrte der Klinik und seinen Jüngern den Rücken und schrieb sich an der besten Universität ein, die er finden konnte, und zwar einer, deren psychiatrische Fakultät hohes Ansehen genoss. Er stürzte sich mit Feuereifer in die Seminare zum Thema Psychologie und Verhaltensauffälligkeiten und spezialisisierte sich auf Hypnotherapie. Rasch hatte er seinen Abschluss in der Tasche, was ihm dank seines hohen IQ nicht weiter schwerfiel. Er legte sich mächtig ins Zeug, um all die benötigten Zertifikate und Diplome in Rekordzeit zu erwerben, während er gleichzeitig seine streng geheimen Versuche in Sachen Gehirnwäsche fortsetzte. Allmählich wuchsen seine Kenntnisse, und eines Tages bot man ihm eine Stelle an derselben Klinik an, wo seine Laufbahn begonnen hatte. Konnte es etwas Schöneres geben?
Es war ein Traum. Er konnte sein Glück kaum fassen. Mittlerweile galt er als Koryphäe auf dem Gebiet der modernen Hypnotherapie und Gruppentherapie und hatte Zugriff auf fast alle Patientenakten. Es hätte gar nicht schöner kommen können, denn nun brauchte er nur noch auszuwählen wie aus einer Speisekarte voller Lieblingsgerichte. Dann jedoch scheiterten einige seiner Experimente, und seine Probanden fingen an, unangenehme Fragen zu stellen und ihm nachzuspionieren. Und eines Tages kam es zum großen Knall: Sie stahlen einige seiner geheimen Bandaufnahmen, weshalb er die Diebe beseitigen musste. Allerdings war das nicht weiter schwer, denn er hatte sie bereits hypnotisiert und die nötigen Trigger einprogrammiert. Sie brachten sich beide wie geplant selbst um, der eine durch Erhängen, die andere in einem Backrohr mit eingestellter Zeitschaltuhr, ein hübscher und noch nie dagewesener Trick, der gleichzeitig sämtliche Spuren in Rauch aufgehen ließ. Danach war alles wieder gut, nur dass er die gestohlenen Bänder nicht mehr wiederfand. Und dass sich, was noch schlimmer war, die Polizei mit der Sache befasste. Ergebnis war, dass er sich nun mit einem ziemlich gerissenen weiblichen Detective herumärgern musste. Er hatte diese Frau auf Anhieb gehasst wie die Pest, denn sie erinnerte ihn an Maggie, die Hexe, nur dass sie um einiges besser aussah.
Tee brauchte nicht lange, um zu bemerken, dass diese Frau klüger war als die Menschen, mit denen er sonst spielte. Außerdem hatte sie ihn offenbar im Verdacht, er könnte etwas ausgefressen haben. Und so schmiedete er sorgfältig einen Plan, um sie aus dem Weg zu räumen. Nach ihrer ersten Begegnung recherchierte er sie, im guten alten Internet, um etwas gegen sie in der Hand zu haben. Und, Mann, hatte die eine schräge Vergangenheit! Die Frau musste in ihrem hübschen kleinen Köpfchen jede Menge Schrauben locker haben. Den Nachrichten zufolge pflasterten massenweise tote Angehörige und andere traumatische Erfahrungen ihren Lebensweg. Außerdem zahlreiche grausige Fälle, weshalb sie sicher ziemlich viel aufgestaute Wut mit sich herumtrug. Für einen Wissenschaftler mit bösen Absichten, wie er einer war, war sie das gefundene Fressen. Und als er erfuhr, dass sie ihren einzigen Sohn noch im Kleinkindalter verloren hatte, waren die Würfel gefallen. Nun wusste er, wie er sie kriegen konnte.
Und so hatte er nachgeforscht und geplant und sie sich geschnappt, als sie am wenigsten damit gerechnet hatte. Er hatte sie ausgetrickst, und zwar mühelos. Sie war in die Klinik gekommen, um Zeugen zu befragen, und er
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