Das Geheimnis der Totenmagd
Scheuermagd erzählt, denn die wohnt am Liebfrauenberg und hat mitgekriegt, wie die Stadtbüttel den da rausgefischt haben. Muss wohl kein schöner Anblick gewesen sein.«
Florian war blass geworden. »Großer Gott, das gibt’s doch nicht!«, stammelte er entsetzt. »Erstochen hat man ihn? Wie schrecklich! Ich habe ihn doch gestern Abend noch gesehen, wir haben in der Schenke ein Bier zusammen getrunken. Und jetzt ist er tot. Ich kann es gar nicht fassen.« Fahrig fuhr er sich durch das widerspenstige Haar, dass er heute Morgen in der Eile zu kämmen vergessen hatte.
Meister Caldenbach sagte: »Der ist bestimmt von diesen staubigen Brüdern erstochen worden. Auf dem Liebfrauenberg treibt sich ja immer viel übles Gelichter herum. Da wird ein Wort das andere gegeben haben, und da hat ihm so ein Strolch halt kurzerhand das Messer in die Rippen gerammt. Mein Gott, was ist nur aus unserem schönen Frankfurt geworden?«
Mit dem Pathos eines Flugblatthändlers breitete er die Arme aus. »Man mag gar nicht mehr aus dem Haus gehen, überall trifft man auf dieses Lumpenpack. – Und wenn man denen nichts geben will, werden die auch noch renitent und fluchen, dass es einem angst und bange wird«, näselte er ungnädig und traf Vorbereitungen, mit einem Quirl den Eischnee für die Tempera zu schlagen. »So, du kannst jetzt mal hier weitermachen, ich grundiere derweil noch mal die Tafel. Und mindestens dreimal durch ein Tuch seihen, eh du es unter die Farben mischst.«
Doch Florian tat nicht, wie ihm geheißen. Er stand nur wie versteinert da und starrte wie abwesend vor sich hin. »Nein, das waren keine Bettler, die den auf dem Gewissen haben, das war jemand ganz anderes …«, murmelte er tonlos. »Ich muss noch mal weg. Ich muss zur Bürgerpolizei, eine Aussage machen. Entschuldigt, Meister, aber das ist wichtig.« Und ohne weitere Erklärung stürzte er aus der Werkstatt.
*
»Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass Bacher von lichtscheuem Gesindel, auf welches er bei seinen nächtlichen Rundgängen gestoßen ist, erstochen wurde. Aber nach dem, was Ihr uns gerade erzählt habt, könnte ja der Nachtwächter auch von einem Nebenbuhler ermordet worden sein«, sagte der Untersuchungsrichter Lederer nachdenklich. Dann wandte er sich an den Stangenknecht, der Florian in sein Kontor geführt hatte: »Wo steckt eigentlich dieses Frauenzimmer? Hat man ihr die Todesnachricht schon hinterbracht?«
»Nein, ich glaube nicht«, brummelte der kahlköpfige Mann.
»Dann wird’s aber Zeit!«, blaffte sein Vorgesetzter. »Macht euch sofort auf zum Turm an der Galgenwarte, wo der Bacher seine Dienstwohnung hat, und holt mir das Weibsstück her, das werd ich mir gleich mal vorknöpfen. Bestimmt kann die mehr dazu sagen.«
»Vorhin war niemand zu Hause«, bemerkte Florian betreten. Ihm schwante, dass er mit seiner Aussage womöglich eine unheilvolle Lawine in Gang gesetzt hatte, die Katharina schaden konnte.
»Das werden wir ja sehen«, knarzte Lederer trocken. »Meister Hillgärtner, ist Euch im Zusammenhang mit der Bacherin sonst noch etwas Verdächtiges aufgefallen, das für uns von Belang sein könnte?«
»Meisterschüler, ich bin noch kein Meister«, verbesserte ihn Florian. »Nein, sonst ist mir nichts aufgefallen«, erklärte er unbehaglich. »Ich glaube auch nicht, dass die Bacherin etwas mit dem Mord an ihrem Mann zu tun hat. Sie ist eine sehr redliche Frau.«
»So redlich, dass sie Nacht für Nacht zu ihrem Liebhaber rennt, kaum dass ihr Mann aus dem Haus ist!«, konterte Lederer höhnisch. »Oder meint Ihr, die hat da die ganze Nacht den Rosenkranz gebetet?«
Angesichts von Florians betroffener Miene setzte er in jovialem Tonfall nach. »Nichts für ungut, Hillgärtner, Ihr habt uns mit Eurer Aussage möglicherweise einen wertvollen Hinweis geliefert. Gott zum Gruße. – Ach, das brauche ich noch fürs Protokoll: Genaue Angaben zu Eurer Person, Alter, Anschrift, Name und Beruf des Vaters, Name und Anschrift Eures Meisters. Eine reine Formalie.« Lederer hatte eine Feder gezückt und blickte den jungen Maler mit dem schwarzen Samtbarett abwartend an.
Florian leierte missmutig seine Angaben herunter, während der Gänsekiel in Lederers Händen über das Papier kratzte. Nachdem er den Bogen mit seiner kleinen, akkuraten Schrift bis an den unteren Rand beschrieben hatte, setzte er mit schwungvoller Bewegung seine Unterschrift darunter und bat Florian, seinerseits mit seinem Namen zu unterschreiben.
Dann erkundigte
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