Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
arbeiten und wie viel Sie bereits ausgeplaudert haben …«
Teil vier
Kapitel sechsunddreißig
Baku, Aserbaidschan
Die weiten Boulevards und engen Gassen von Baku, der größten und elegantesten Stadt in der Kaukasus-Region, führen kilometerlang an den Ufern des Kaspischen Meeres entlang. Während nach wie vor Euro- und Dollarströme in die Stadt fließen, um neue Öl- und Gasunternehmen zu finanzieren, sind die Kontraste auffälliger denn je.
Baku ist nicht nur eine geschäftige, wohlhabende, aufstrebende Stadt des 21. Jahrhunderts mit glitzernden Wolkenkratzern aus Stahl und Glas, sondern auch eine alte Metropole mit Moscheen, Königspalästen und Basaren in einem Gewirr aus schattigen Kopfsteinpflasterwegen.
Auf einem Hügel gleich außerhalb der alten Stadtmauern liegt das hässliche Betongebäude, das Aserbaidschans Präsidenten und seinem Stab als Arbeitsplatz dient. In den umliegenden Straßen patrouillieren finstere aserbaidschanische Soldaten, die dafür sorgen, dass zu Besuch weilende Repräsentanten der Ölfirmen und neugierige Touristen, die zur Philharmonie oder den staatlichen Kunstmuseen wollen, nicht allzu lange stehenbleiben.
Tief innerhalb des Präsidentenpalastes stieg ein Servicemitarbeiter aus dem Hauptaufzug. Er schob einen schweren Servierwagen vor sich her, der hoch mit zugedeckten Tellern beladen war. Beunruhigt über die bedrohliche Aufstockung der russischen Truppen im benachbarten Dagestan war der Verteidigungsrat der Republik zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Da die Sitzung
sich immer länger hingezogen hatte, hatten die Generäle und Minister in der Küche Essen bestellt.
Zwei abweisende Männer in dunklen Anzügen traten dem Mann entgegen. »Sicherheitsdienst«, sagte einer und zeigte seinen Ausweis. »Wir nehmen Ihnen das ab. Unbefugten ist der Zutritt verboten.«
Der Kellner zuckte müde die Achseln. »Achten Sie nur darauf, dass jeder das Richtige bekommt«, sagte er, indem er ihnen einen Zettel übergab, auf dem aufgeführt war, wer im Verteidigungsrat was bestellt hatte. Gähnend stieg er wieder in den Aufzug.
Sobald sich die Türen geschlossen hatten, hob einer der Sicherheitsleute rasch die Deckel von den Speisen auf dem Wagen und verglich sie mit der Liste, die er in der Hand hielt. Sobald er den Teller mit Piti, einem fetten Eintopf aus Hammelfleisch, Kichererbsen und Safran, gefunden hatte, hielt er inne und wandte sich an seinen Kollegen. »Dieser hier«, sagte er leise.
»Sieht lecker aus«, meinte der andere mit einem kurzen, zynischen Grinsen.
»Stimmt«, bestätigte der erste Mann. Schnell blickte er links und rechts den Korridor entlang, um sich zu vergewissern, dass die Luft rein war. Da niemand in Sichtweite war, zog er ein Röhrchen aus der Tasche und schüttete die darin enthaltene Flüssigkeit über den Eintopf. Während sein Kollege den Servierwagen langsam über den Flur schob, steckte er das Röhrchen zurück in die Tasche. Eine weitere HYDRA-Variante war unterwegs zum auserwählten Opfer.
Weißes Haus
Die Stimmung an dem viel zu kleinen Tisch im Kontrollraum des Weißen Hauses war offensichtlich gedrückt, erkannte Präsident Sam Castilla, als er die grimmigen, verkniffenen Mienen der Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates sah. Die meisten waren sehr
besorgt, dass den Vereinigten Staaten bald ein ernster Konflikt mit Russland bevorstehen könnte, doch bei der augenblicklichen Nachrichtenlage fühlte sich niemand sicher genug, einen handfesten Vorschlag zu machen, wie mit der befürchteten schweren diplomatischen und militärischen Krise umgegangen werden sollte.
Im Grunde waren sie es alle leid, im Dunklen zu tappen, das wusste der Präsident. Im Moment hatten sie nur bruchstückhafte Informationen – die wachsende Zahl mysteriöser Todesfälle in und außerhalb der USA, die Gerüchte um zunehmende militärische Mobilmachung in Russland und die regelmäßigen Klagen der russischen Propaganda über die »gefährliche Instabilität« in den Ländern an seinen Grenzen. Unglücklicherweise fehlten weitergehende Beweise und Analysen, die sie alle brauchten, um in diesen Bruchstücken ein klares Muster zu erkennen, etwas, das ihnen überzeugend erklärte, was Dudarew und seine Generale wirklich vorhatten. Ohne über diese Absichten Bescheid zu wissen, würde niemand in Europa oder anderswo die Konfrontation mit Moskau suchen.
Castilla wandte sich an William Wexler, den neuen nationalen Geheimdienstdirektor. »Können wir die Umlaufbahn
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