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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Cappuccinos zubereitete, zog Henrike Fotos aus ihrer Tasche und breitete sie auf dem Tresen aus, sodass Ines sie von ihrer Seite aus würde betrachten können. Die Aufnahmen zeigten die Lenhardts und ihre Freunde, die gemeinsam mit ihnen Geburtstag gefeiert hatten.
    »Woher hast du die?«, flüsterte ich überrascht.
    »Aus dem Internet. Ich dachte, es könnte nicht schaden, sie mal herumzuzeigen.«
    »Was sind das für Leute?«, fragte Ines, als sie sich uns wieder zugewandt hatte.
    »Hast du einen von ihnen schon mal gesehen?«
    Sie sah sich ein Foto nach dem anderen an und schüttelte schließlich den Kopf.
    »Auch sie nicht?« Henrike deutete auf das Foto von Nadja Lischka. »Sie hat hier ganz in der Nähe eine Yogaschule.«
    »Für Yoga fehlt mir die Zeit. Und Ben hatte in seinen Pausen auch etwas Besseres zu tun, als sich auf eine Matte zu legen und Verrenkungen zu machen.«
    »Die Yogaschule gab es damals noch gar nicht«, sagte ich. »Sie hat sie erst nach Bens Verschwinden eröffnet.«
    »Wieso fragt ihr mich dann überhaupt danach?«
    Ich fand die Frage berechtigt und sah Henrike von der Seite an.
    »Es wäre doch möglich, dass die Frau hin und wieder Gast hier ist«, erklärte sie. »Dann hättest du uns möglicherweise etwas über sie erzählen können.«
    »Ich sag dir mal etwas, Henrike. Meine Gäste sollen sich hier wohlfühlen und nicht Gefahr laufen, ausspioniert zu werden. Ist die Botschaft angekommen?«
    Henrike salutierte lächelnd. »Klar und deutlich.«
    »Und jetzt lasst mich weiterarbeiten, ihr beiden.« Und an mich gewandt: »Lass stecken, Kristina! Ihr seid mir nichts schuldig.«
    »Gibst du mir noch Robins Telefonnummer?«
    Ines nahm Zettel und Stift und schrieb. Allem Anschein nach kannte sie die Nummer auswendig.
    »Danke! Soll ich ihr einen Gruß von dir ausrichten?«
    »Untersteh dich!«

15
Es war kurz vor vier, und der Feierabendverkehr verstopfte bereits die Straßen. Die meisten wollten bei diesem Wetter so schnell wie möglich an einen der Badeseen oder zumindest in den Biergarten. Henrike und mich zog es zu der Eisdiele in der Kaiserstraße. Nachdem wir das Wallner’s verlassen hatten, versuchte ich Nils zu erreichen, aber er ging nicht an sein Handy. Schließlich schrieb ich ihm eine SMS: Ich muss dich sprechen, Kristina.
    »Wir machen einen kleinen Umweg über die Türkenstraße«, kündigte Henrike an, nachdem wir die Autotüren zugeschlagen hatten. Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr sie los, bog in die Schelling- und schließlich in die Türkenstraße und hielt vor dem Haus, in dem Nadja Lischka ihre Yogaschule betrieb. Henrike parkte in der zweiten Reihe, und wir stiegen aus.
    Das Haus war eine dieser unansehnlichen Siebzigerjahre-Bausünden, woran auch der leuchtende türkise Anstrich nichts ändern konnte. Ich hätte Konstantin Lischkas Witwe eher in einer Jugendstilvilla gesehen als hinter einer so nichtssagenden Häuserfassade. Aber vielleicht war genau diese Fassade, hinter die sie nach dem Bankrott und dem Tod ihres Mannes hatte ziehen müssen, auch der Kern ihres Kummers.
    Nach einem Blick auf die Klingelschilder war klar, dass Nadja Lischka die Yogakurse in ihrer Wohnung abhielt. Eigens angemietete Räumlichkeiten würden ihre Mittel vermutlich bei Weitem übersteigen.
    Noch bevor ich ihren Arm zurückhalten konnte, hatte Henrike den Klingelknopf gedrückt.
    »Was machst du da?«
    »Vielleicht ist sie zu Hause und lässt uns hinein.« Unbekümmert zuckte sie die Schultern.
    »Wozu?«
    »Damit wir uns einen Eindruck davon machen können, wie sie lebt, ob sie tatsächlich jeden Cent umdrehen muss. Damit wir sie in ihrer privaten Umgebung erleben. Dort sind die meisten Menschen viel ungezwungener, achten nicht so sehr auf das, was sie sagen. In ihren Wohnungen und Häusern sind sie durchlässiger, verwundbarer.«
    »Ich habe nicht vor, sie zu verwunden, sie hat schon genug durchgemacht. Ihr Mann wurde ermordet und hat sie und ihre Kinder im Elend zurückgelassen.«
    Henrike lehnte sich gegen die Hauswand und sah mich in einer Weise an, wie ich sie noch aus der Schule kannte, wenn ich mit meiner Antwort völlig danebengelegen hatte. »Vielleicht hatte sie die Nase voll von ihrem Mann. Und vielleicht ist sie nicht nur erleichtert, dass er ein paar Meter unter der Erde liegt und nichts mehr anstellen kann – vielleicht hatte sie auch das Messer in der Hand. Weißt du’s?«
    Gerade wollte ich zu einer Entgegnung ansetzen, als mein Handy klingelte. Es war Nils.
    »Hallo

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