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Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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ersten Bissen nahm, meinte Alice, sie könnten es sich zur Abwechslung einmal leisten, Trinkgeld zu geben. Westie zwinkerte ihr zu und lehnte sich dann zurück, um in aller Ruhe die Schilderungen seiner Heldentaten zu lesen. Er hatte keinen Hunger – seine Lunge war noch immer voll von Färb- und Firnisdünsten. Aber er war gern bereit, noch eine Weile dazusitzen, Zeitungen zu lesen, weiteren Kaffee zu bestellen und zu beobachten, wie sich das Licht veränderte, die Schatten länger wurden, während der Nachmittag langsam in den Abend überging …
    Und genau das tat er gerade, als er bemerkte, dass Alice aufgehört hatte zu lesen und aus dem Fenster starrte. Er bezweifelte, dass sie dieselbe Welt wie er sah. Sie pulte sich mit dem Nagel des kleinen Fingers Teigreste aus den Zähnen.
    »Was denkst du?«
    Sie zuckte die Achseln, schien sich ihre Antwort zurechtzulegen, wandte sich dann wieder ihm zu, legte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände.
    »Ich hatte mich nur gerade gefragt«, sagte sie nachdenklich, »warum die alle zwei Bilder pro Nase gekriegt haben und wir nur eins.«
    »Der Typ, der die Schläger und Waffen geliefert hat, hat auch nur eins gekriegt«, korrigierte er sie.
    »Aber er war nicht dabei, oder? Er war nicht im Lager, hat nicht riskiert, verhaftet zu werden. Und denk mal dran, wie viel Arbeit du da hineingesteckt hast … ganze Tage und Nächte … keiner hat so hart gearbeitet wie du, Westie.«
    »Aber ich bin auch dafür bezahlt worden, oder?«
    Sie nickte. »Darauf will ich ja gerade hinaus. Die Kohle war deine Bezahlung für die Arbeit, die du gemacht hast, aber dann hast du mehr getan. Du warst beim Überfall dabei, hast mitgeholfen, die ganzen Bilder auszutauschen – das hast du mir selbst gesagt. Professor Gissing brauchte eine Ewigkeit und hätte dabei auch noch fast einen Herzinfarkt gekriegt. Es hing alles von dir ab, Westie, und du hast es gut gemacht.« Sie umfasste seine Hand. Seine Finger waren noch immer mit Farbresten verschmiert – Spuren von Rot-, Blau-, Weiß- und Grüntönen. Monboddos Frau hatte am meisten Zeit erfordert; die elendiglich vielen Falten in ihrem Kleid … Alice klopfte mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf eine der Zeitungen. »Hier steht, dass manche der Maler hohe sechsstellige Beträge bringen würden. Hohe sechsstellige Beträge … Und wir werden mit einem einzigen lausigen DeRasse abgespeist.«
    Westie war pikiert. »Einem unserer Lieblingsmaler«, erinnerte er sie. »Beeinflusst durch Mondrian, durch ein Prisma von Gegenkultur der Sechziger gebrochen.« Alice zog ein Gesicht, und es war eins, das Westie gut kannte: Sie hatte nicht vor, sich überzeugen zu lassen.
    »Es erscheint mir einfach so unfair, Westie – mehr will ich damit gar nicht sagen.«
    »Tja, jetzt ist da wohl nichts mehr zu machen«, wandte er ein, bevor er seine Tasse leerte. Er sah über den Rand hinweg in ihre Augen und fühlte sich von ihnen wie aufgespießt.
    »Wirklich nicht?«, fragte sie. »Ist es wirklich zu spät?«
    Westie stellte die Tasse behutsam wieder auf die Untertasse.
     
    * * *
     
    Mike befand sich allein in seiner Wohnung. Er hatte Musik aufgelegt, ohne darauf zu achten, was es war. Allans Coultons standen auf dem Sessel neben dem Kamin – Mike hatte mit den abstrakten Sachen des Mannes nie recht was anfangen können. Breite Farbschwaden und dazu kleine Kritzeleien, die laut Allan »symbolische Bedeutung« hatten, »wie Kartuschen«. Mike hatte sich einen Malt eingeschenkt und nippte daran, während er das Bild von Monboddos Frau betrachtete. Das Gemälde schien buchstäblich Licht auszustrahlen. Er stellte sein Glas hin, hob das Bild auf und presste die Lippen auf die der sanft lächelnden Frau. So aus der Nähe sah man, dass die Oberfläche des Gemäldes von haarfeinen Rissen durchzogen war. Ein Jammer: Er konnte sich ja kaum einen Restaurator kommen lassen. Das Bild war nicht signiert; das hatte Monboddo selten getan. Als Mike bei der Ausstellung das Bild, das er jetzt in Händen hielt, zum ersten Mal gesehen hatte, waren viele Exponate falsch zugeschrieben gewesen. Mittlerweile hatte die kunsthistorische Forschung Fortschritte gemacht, aber noch immer waren ein paar Werke lediglich »Monboddo zugeschrieben« oder »aus Monboddos Schule«. Aber nicht die Frau. Die war hundertprozentig von ihm. Sie hieß … Er ging an ein Regal und zog eine Biographie des Künstlers heraus. Sie hieß Beatrice. Das Bild trug den Namen »Eine nachdenkliche

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