Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Besitz bei sich und sind provisorisch in eine Schlafhütte einquartiert worden, die nur sechs Betten hat. Sie benutzten diese Schlafgelegenheiten schichtweise oder gingen schon einmal in die öffentlichen Schlafhütten, wenn das besser passte. Sie haben ständig einen grauenvollen Tee getrunken, der in ihrer Heimat beliebt sein muss. Da drin war das Gift. Ein tückisches Zeug: Geschmacklos, absolut tödlich aber nicht sofort wirksam, sodass genug Opfer Zeit hatten, von dem Tee zu trinken. Das Gift ist sehr teuer. Zuletzt wurde es unseres Wissens nach bei den Politikermorden im vergangenen Monat verwendet. Ich glaube aber erst mal nicht an einen Zusammenhang.“
„Also wurden nur die Leute aus einer speziellen Schlafhütte ermordet? Was hatten sie sonst gemeinsam? Und was sind das für Bilder von Stichverletzungen?“, fragte Konstantin.
„Alle waren in dieser Hütte untergebracht. Ursprünglich kamen sie aus dem gleichen Stadtviertel von Lianta Xintall. Ihr Hintergrund ist aber sehr verschieden. Drei Leibsklaven aus einem Xirien-Haushalt, vier Tagelöhner, die sich in ähnlichen Haushalten für Putzdienste und dergleichen verdingten, zwei Schriftsteller, die abgehauen sind, weil sie zu viel zensiert wurden und drei Handwerker, die zu einer zerschlagenen Rebellengruppe gehörten. Sonst hatten sie nicht viel gemein, sie sind nicht einmal mit dem gleichen Schiff angekommen.“
„Und die Stiche?“, fragte Caingu irritiert.
„Nicht alle Opfer haben das Gift getrunken. Einige machten sich wohl nicht viel aus dem Teezeug oder sie waren nicht zu Hause. Zwei sind in der Baracke selbst erdolcht worden – Giftdolch übrigens – und die anderen hat es überall in der Stadt verteilt erwischt. Einen an seinem Arbeitsplatz und zwei sogar hier in der Straße. Mann könnte meinen, sie seien unterwegs zu uns gewesen, die Morde anzuzeigen, aber die Befunde zeigen, dass sie die ersten und nicht die letzten Opfer waren.“
Konstantin rieb sich den arg strapazierten Kopf: „Vielleicht haben sie ein großes Verbrechen beobachtet und haben sich erst nicht getraut, zur Gilde zu kommen. In ihrer Heimat haben sie bestimmt keine gute Erfahrung mit der Suchergilde gemacht. Vielleicht haben sie auch deswegen so seltsam auf mich reagiert. Wenn sie hin- und hergerissen waren, ob sie einen Sucher hinzuziehen sollten oder nicht, könnte das auch nach Angst oder Erschrecken ausgesehen haben. Jedenfalls wäre es möglich, dass sie einfach nur zum Schweigen gebracht wurden. Wenn die Auftraggeber des Täters reich und in große Verbrechen verstrickt wären, würde das auch das teure Gift erklären. Kannst du mit irgendwas über den Täter sagen?“
„Eindeutig ein absoluter Meister seines Fachs. Der Einbruch auf das Gelände erfolgte den Spuren nach wahrscheinlich mit einem Seil über die Mauer. Abgelegene Stelle des Anwesens. Keine direkten Beobachter. Ich habe leichte und frische Abriebstellen an der oberen Mauerkante gefunden. Das Gift muss in den Teevorrat gegeben worden sein. Vorvorgestern war das alles. Zuvor wurden die ersten beiden Opfer hier in der Straße erdolcht. Saubere, schnelle Stiche mit einer schmalen, zweischneidigen Klinge. Diese Opfer können noch geschrien haben, aber niemand hat etwas gehört. Die anderen starben später durch einen Kehlenschnitt, wie er nur aus dem Hinterhalt möglich ist. Wenn die ersten Opfer tatsächlich zu uns wollten, blieb dem Täter vielleicht keine Zeit, eine bessere Gelegenheit abzuwarten. Jedenfalls tötet der Mörder mit Geschick, nicht mit Kraft. Der Position der Stiche nach zu Urteilen, kein besonders großer Täter. Rechtshänder.“
„Hmmh.“ Konstantin musste die lange Rede erst einmal in seinem dröhnenden Schädel sortieren. Schließlich beschied er: „Das paßt zumindest alles zu meiner spontanen Theorie. Ich werde dir bescheidgeben, wenn mir noch was dazu einfällt, Budamir. Könnte passieren, wenn ich erst richtig wach bin. Jetzt müssen wir uns erst mal weiter um unseren Möbeldieb kümmern.“
„Oh, beinahe hätte ich es vergessen. Die Kollegen von der Bereitschaft haben einen weiteren Fall aufgenommen, der vermutlich dazugehört. Ich habe dir die Unterlagen auf den Schreibtisch gelegt. Viel Glück damit“, beendete Budamir die Konsultation und sortierte weiter seine Papiere.
*
Vaíl räumte die Überbleibsel der Feier auf. Sie überprüfte dabei die Verstecke mit ihren geheimen Unterlagen, Giften und Waffen. Keines davon war von Unbefugten geöffnet worden. Ihre
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