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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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wissen. Der zyklische Ablauf spendet Sicherheit.
    Vage entsinnt er sich einer Zeit, da seine Existenz nicht zyklisch verlief. Doch das ist lange her, dunkle Nebel verhindern jede konkrete Erinnerung.
    Das Einzige, was jetzt wichtig ist: sein Auftrag. Ein weiteres Organ. Das letzte, hat man ihm gesagt.
    Und dann?
    Ein neuer Zyklus, vielleicht.
    Oder etwas ganz anderes.

20
     
     
    Obwohl es in den Straßen nie richtig dunkel wurde, fühlte sich Hippolit im Gewirr der schattigen, aschebedeckten Gassen beklommen. Sicher, von Bearth und seinen Kumpanen ging fürs Erste keine Gefahr mehr aus – er wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben waren! Doch die unangenehme Begrüßung am Vorabend, die zurückliegende Prügelei und nicht zuletzt sein verwirrendes Erlebnis mit Lith hatten in ihm eine schwer zu ignorierende Antipathie gegen diese Stadt ausgelöst.
    Glücklicherweise schien es in Torrlem auch ganz normale Menschen zu geben. Kurz nach seinem Aufbruch von Liths Wohnung war ihm ein älterer Mann in grauer Arbeitermontur über den Weg gelaufen, den er zögernd nach dem Weg zum städtischen Archiv befragt hatte. Der Bursche wirkte etwas müde (möglicherweise hatte er gerade eine Vierzehn-Stunden-Schicht als Vulwoogfahrer auf den Aschehalden hinter sich), doch er gab bereitwillig Auskunft und wies Hippolit mit einem grau gepuderten Finger die Richtung.
    Am Ende einer schnurgeraden, von steinernen Baumskulpturen gesäumten Allee tauchte das tempelartige Gebäude mit dem säulengestützten Vordach auf, das Meister Wylfgung ihm am Mittag beschrieben hatte. Hippolit hoffte, dass er dort um diese Zeit noch jemanden antreffen würde. Seiner Schätzung nach war die neunte Abendstunde bereits verstrichen, und man konnte von städtischen Beamten nicht erwarten, dass sie so spät noch …
    Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er im Zwielicht eine breitschultrige Gestalt ausmachte, die an eine der Säulen vor dem Archivgebäude gelehnt stand. Sie schien ihn nicht bemerkt zu haben und unterhielt sich mit tiefer, gutturaler Stimme mit jemand, den Hippolit nicht sehen konnte. Der Platz vor dem Archiv jedenfalls war wie leer gefegt.
    In seinem Kopf schrillte eine Alarmglocke. Ein neuer Hinterhalt? Hielt sich in der Deckung der Säulen jemand versteckt, bereit zum Angriff?
    Er zwang sich, die Reaktion seiner überreizten Nerven zu ignorieren und nicht übereilt zu handeln. Er ging hinter einem der gemeißelten Steinbäume in Deckung, murmelte die Befehlszeile für einen kopfgroßen Clutglobulus und ließ ihn mittels einer zusätzlichen Silbe direkt neben der Gestalt an der Säule aufflammen.
    Mit einer Mischung aus Erleichterung und Überraschung registrierte er, dass ihm sowohl die entsetzt auf brüllende Stimme als auch das Gesicht, das im glühenden Schein des Leuchtballes auftauchte, bestens vertraut waren. Rasch trat er aus seiner Deckung hervor.
    »Bei Batardos! Bist du wahnsinnig, mich so zu erschrecken? Blaak – ich hab mir fast in die Hosen geschissen, M.H.I« Jorge wischte sich mit den Händen das strähnige Haar aus dem Gesicht und atmete mehrere Male tief durch. Dann fixierte er Hippolit, der mittlerweile herangekommen war, mit beleidigtem Bück. »Wieso schleichst du dich an wie ein Berufsmeuchler? Und wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Wir warten hier schon seit über einer Stunde auf dich.«
    »Ich … es gab da einen kleinen, unvorhergesehenen Zwischenfall.« Hippolit deutete auf seinen eigentlich unübersehbaren Kopfverband. »Aber das braucht uns jetzt nicht weiter zu interessieren.« Über Jorges Schulter hinweg erkannte er, dass im Erdgeschoss des Archivgebäudes noch mehrere Fenster erleuchtet waren. Er würde dort also noch jemanden antreffen.
    »Viel interessanter fände ich zu erfahren, was du hier suchst? Und versuch mir bloß nicht auf die Nase zu binden, du wolltest im Stadtarchiv von Torrlem Recherchen anstellen! Sonst ersticke ich möglicherweise an einem Lachanfall, bevor du noch ein einziges Mal ›Blaak‹ sagen kannst. Was hast du die ganze Zeit getrieben?«
    »Blaak?«, sagte Jorge probehalber. Als nichts passierte, fuhr er fort: »Du wirst nicht glauben, was ich erlebt habe, M.H. Du denkst wahrscheinlich, du hättest einen harten Tag gehabt, wie? Dann pass auf, ich erzähle dir jetzt mal, was ein harter Tag ist!« Er räusperte sich umständlich. »Zunächst habe ich gemacht, was ich dir angekündigt hatte: Ich habe Ermittlungen unter den Einheimischen angestellt! Wie? Du willst

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