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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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schätzte, Simone und ihm zum Verhängnis werden konnte.
    Seitdem er seine Arbeitsstelle in einem Nordhorner Architekturbüro gekündigt hatte, trafen sie sich mindestens einmal am Tag und fast immer zur gleichen Uhrzeit. Er genoss diese kurze Zeitspanne am späten Vormittag, die ihnen ganz allein gehörte. Meistens hatte sie ihre Jüngste bereits bettfertig gemacht und für ein Mittagsschläfchen ins Kinderzimmer gebracht. Dann blieben ihnen fast zwei kostbare Stunden, bis die Kleine sich meldete und ihre ältere Schwester aus dem Kindergarten abgeholt werden musste. Simone war 26 Jahre alt und damit vierzehn Jahre jünger als er, und er liebte sie von ganzem Herzen. Die Liebe zu ihr hatte er mit jeder denkbaren Selbstverständlichkeit auch auf ihre Töchter übertragen.
    »Tommy hat mir erzählt, dass die Bekannte deiner Schwester erst am frühen Nachmittag eintreffen wird«, sagte Richard.
    Simone blickte auf und nickte. »Ja, ich weiß.«
    »Es gibt keinen Grund, nervös zu sein, Simone. Es ist nur wichtig, dass wir uns nach unserem Plan richten. Wenn wir ihn einhalten, wird alles gut werden. Das musst du mir glauben!«
    »Das tue ich, und du bist der Einzige, dem ich vertrauen darf«, erwiderte sie und fügte fast unhörbar hinzu: »Es fällt mir nicht leicht, meine Schwester zu hintergehen, doch ich weiß, dass es notwendig ist. Sobald alles überstanden ist, werde ich ihr schreiben und sie um Verzeihung bitten.«
    »Du weißt, warum wir Beate nicht in unsere Pläne einweihen dürfen. Meine Mutter und auch Thomas sind verschwiegen. Wir können uns blind auf sie verlassen. Sie würden uns niemals verraten.«
    Simone blickte durch das Küchenfenster, bewegungslos, ohne wahrzunehmen, was sie sah. Sie wusste, dass er recht hatte. Beate würde ihr Verhalten niemals billigen, und sie würde nicht schweigen. Ihre Schwester hatte schon immer zu viel geredet und kein Geheimnis für sich behalten können. Trotzdem fühlte Simone sich gemein und hinterlistig. Sie war eine Betrügerin, die rücksichtslos, gemeinsam mit ihrem Liebhaber, ihre eigenen Interessen durchsetzte und hinter dem Rücken ihrer Schwester eine bessere Zukunft plante. Richard stand auf und kam zu ihr in die Kochecke. Er fasste ihre Schultern und drehte sie sachte zu sich. Als er ihr das Messer aus der Hand nahm und auf die Arbeitsfläche legte, sah er, dass ihre Hände zitterten und Tränen in ihren Augen standen.
    »Hab keine Angst«, murmelte er, während er das Gummiband in ihren Haaren löste, seine Hände über ihren Körper gleiten ließ, mit seinen Lippen zärtlich über ihren Nacken fuhr, bis ihre Atmung schneller und lauter wurde und sie sich an ihn drängte.
    »Du wirst mich nie verlassen?«, flüsterte sie.
    »Nein.«
    »Ich liebe dich so sehr, Richard. Ich habe niemanden jemals so sehr geliebt wie dich.«
    »Ich weiß«, erwiderte er mit belegter Stimme, als er sie hochhob und die Treppe hinauftrug.
    *
    Heide durchquerte das Dorf im Schritttempo. Auf der linken Straßenseite entdeckte sie ein Friseurgeschäft, eine Apotheke und eine Bäckerei. Die Kirche – ein sattroter Klinkerbau – lag ungefähr in der Dorfmitte. Dahinter sah sie ein langgestrecktes Fachwerkhaus mit grünen Holzläden. Neben dem ansehnlich gepflasterten Kirchplatz, auf den Eingangsstufen der Dorfgaststätte Zum alten Kaiser , präsentierte ein rundlicher Koch aus Pappmaschee eine riesige Speisekarte, auf der die unterschiedlichsten Schnitzelgerichte angeboten wurden. Kurz entschlossen stoppte sie den Wagen, wendete, fuhr zurück zum Ortseingang und parkte vor der Bäckerei.
    Sie griff nach ihrer Handtasche und stieg aus. Die drei weiß verputzten Geschäftshäuser zeigten mit den Giebeln zur Straßenseite. Das mittlere, breiteste und höchste Haus beherbergte die Apotheke. Links und rechts neben der zurückliegenden Eingangstür befanden sich Schaufenster. Sie waren ansprechend dekoriert, aber zu ihrem Bedauern musste Heide feststellen, dass sie nicht in den Verkaufsraum hineinsehen konnte. Bunt gemusterte Rollos, die in ungleichmäßigen Längen über eine Stange hingen, versperrten den Blick ins Innere.
    Der Bäcker im Nebenhaus hatte entschieden, seine Waren nicht zu verstecken. Durch die einzige Schaufensterscheibe erkannte Heide eine schlanke, blondierte Mittvierzigerin mit akkurater Kurzhaarfrisur und einer ebenso ordentlich gebügelten, langärmeligen weißen Bluse. Die Blusenträgerin lehnte, die Arme über die Brust verschränkt, mit mürrischem Gesicht vor

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