Der Schwur der Ritter
und wen sie repräsentieren, nicht wahr?«
Will sah den König an, doch Roberts eiserne Miene war genauso wenig hilfreich wie Morays ausdrucksloses Gesicht. Schließlich hob er ungeduldig die Hand und nickte. »Das habe ich gesagt, ja, und ich habe es auch so gemeint.«
»Ihr habt gesagt, Ihr werdet sie an ihre Eide erinnern und an die Verpflichtungen, die sie mit dem Ordenseintritt eingegangen sind. Armut, Keuschheit, Gehorsam.« Moray lächelte. »Die Armut scheint für Eure Brüder ja nie ein Problem gewesen zu sein, und an die Keuschheit gewöhnt man sich im zurückgezogenen Alltag eines Ordens. Den Gehorsam – und Eure eigene Autorität – wiederherzustellen, auch wenn es keinen strafenden Orden mehr gibt, das wird wohl das Wichtigste – und Schwierigste – sein. Wie wollt Ihr das bewerkstelligen?«
Will ließ den Blick über die Körnung der Tischplatte wandern. Seine beiden Zuhörer warteten geduldig, während er um Worte rang.
»Sobald wir … an Land gehen … und uns gesammelt haben, werden wir wieder als Ordensgemeinschaft leben. Wir haben drei Bischöfe unseres Ordens dabei, und unser erster Akt wird eine Zusammenkunft der Gemeinschaft sein, in der wir Gott danken, dass er uns aus der Gefahr gerettet hat, in die uns König Philipp und de Nogaret gestürzt haben. Ich werde die Ämter innerhalb der Gemeinschaft neu verteilen und den Brüdern neue Aufgaben zuweisen müssen … und rechne dann eigentlich nicht mit Ungehorsam.«
Er seufzte. »Und falls es doch dazu kommt, werde ich wohl eine Art Gefängnis bauen müssen. Ein Monat in erzwungener Einsamkeit bei Wasser und Brot kann unschätzbaren Wert besitzen.«
Moray erhob sich. »Nun denn, Sir William. Wenn Ihr mich in diesem Moment zum ersten Mal sehen würdet, wofür würdet Ihr mich halten?«
Will zuckte mit den Achseln. Der Mann, der vor ihm stand, hatte kurzes Haar, außerordentlich breite Schultern und kräftige Hände. Seine Haltung war selbstbewusst, er trug sein abgenutztes, rostiges Kettenhemd, und an seinem Gürtel hing eine Scheide mit einem Dolch.
»Für einen Ritter«, sagte er. »Einen Krieger aus guter Familie, der dringend ein neues Kettenhemd braucht.«
»Und wenn ich eine Mitra und ein Messgewand tragen würde?«
»Dann würde ich einen Bischof sehen.«
»So ist es, und wenn sowohl der Ritter als auch der Bischof zutreffend wären, würde es Euch doch schwerfallen, das eine im anderen zu sehen, nicht wahr?«
»Das stimmt.«
»Und da liegt unsere Lösung. Stellt den Gehorsam Eurer Männer auf die Probe, indem Ihr sie die äußeren Kennzeichen der Templer ablegen lasst – dann könnt Ihr hierbleiben. Befehlt Euren Rittern, sich die geteilten Bärte abzuschneiden, ihre Tonsuren herauswachsen zu lassen und sich wie gewöhnliche Menschen zu kleiden. Entfernt die Templersymbole von ihrer Kleidung und ihren Waffen, und haltet eure edlen Pferde vor neugierigen Blicken fern. Gebt euch den Anschein der Normalität, und ihr könnt euch in Sicherheit wiegen, so wie wir uns in der Sicherheit wiegen können, dass ihr hier seid, wenn auch unsichtbar.«
»Unsichtbar?«
»In Schottland herrscht Krieg. Die bloße Tatsache, dass ihr bewaffnet seid, wird keine besondere Aufmerksamkeit erregen. Doch eine kleine Armee Berittener mit roten Kreuzfahrerinsignien und dem schwarzen Templerkreuz auf der Insel Arran? Glaubt Ihr nicht, dass das für Gerede sorgen würde?«
Will versuchte, sich auszumalen, wie seine Männer diesen Vorschlag aufnehmen würden. Grenzten die Worte dieses heiligen Mannes nicht geradezu an Blasphemie?
»Die Bärte vielleicht«, sagte er schließlich zaghaft. »Aber die Tonsur …«
»Wisst Ihr eigentlich, woher die Tonsur kommt, Sir William?«
»Woher …? Nein, das wiederum weiß ich nicht.«
Der Bischof von Moray lächelte. »Nun, ich schon. Auch in meinem Kopf ist das eine oder andere hängen geblieben. Vor achthundert Jahren, in den letzten Tagen des römischen Imperiums, war ein geschorener Kopf das Symbol der Sklaverei. Sklaven durften kein Haar auf dem Scheitel tragen, damit man sie von den freien Bürgern unterscheiden konnte. Und so schor man ihnen ein Quadrat auf die Köpfe, um sie als Sklaven zu markieren. Das war die Zeit, in der die ersten Klostergemeinschaften gegründet wurden. Die Mönche haben diesen Brauch übernommen, um zu demonstrieren, dass sie die niedrigsten der Niedrigen sein wollten, die Sklaven Christi.« Der Bischof hielt inne. »Heute weiß das kaum noch jemand, und die Tonsur ist zu
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