Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
“Daran, liebes Publikum, lässt sich erkennen, dass ich, was fälschlicherweise die Annahme vieler Zeitgenossen ist, nicht Mozart bin. Denn Mozart wusste schon zum Zeitpunkt der Niederschrift, ob sein Werk tauglich war.” Das Publikum lachte über diese humorvolle Bemerkung und applaudierte. Allein Alexander wusste, dass er sein Licht jetzt unter den Scheffel stellte, denn er war durchaus in der Lage, seine Musik, die er niederschrieb, auch zu hören, und zwar bevor sie auf dem Papier Gestalt annahm. Er hob die Hand, um seine Rede zum Abschluss zu bringen. Urplötzlich wurde es ruhig. Alexander war eine faszinierende Persönlichkeit, die es verstand dieLeute alleine schon mit ihrer Anwesenheit zu fesseln. Man bewunderte ihn.
“Doch, was wäre diese Aufführung heute gewesen, wären nicht Sie alle, ein großartiges, wunderbares Publikum, heute hier gesessen”, er machte eine auslandende Handbewegung zum Publikum, “… das mit so viel Aufmerksamkeit und Gefühl dieser Darbietung folgte? Es war für mich eine wundervolle Erfahrung, die Emotionen, die klar zu spüren waren, wahrzunehmen. Sie wissen ja, dass des Künstlers Lohn der Applaus ist. Ich danke Ihnen allen von ganzem Herzen.”
Alexander verließ die Bühne gefolgt von erneut aufschwellendem Applaus und Hurrarufen. Es wollte kein Ende nehmen.
Draußen erwarteten ihn seine Mutter, Armin und selbstverständlich Joey und Thomy. Alle waren festlich gekleidet. Hannah trug ein wunderschönes dunkelblaues Abendkleid, Armin einen beigen Smoking und seine Paten beide dunkle Anzüge. Wieder einmal hatte Hannah Tränen vor Rührung in den Augen. Sie umarmte ihren Sohn und gratulierte zu diesem großartigen Erfolg. Doch auch die anderen waren nicht davor gefeit, vor Rührung glasige Augen zu haben. Einer nach dem anderen gratulierte und umarmte ihn. Joey, der ihn als letztes umarmte, hielt Alexander fest und sagte: “Mein Junge. Großartig. Einfach nur großartig. Es fehlen mir die Worte. Dieser kleine Junge, der bei uns seinen Anfangnahm, heranwuchs, unser aller Herzen im Sturm eroberte und nun ein Mann mit genialem Geist ist … wir lieben dich … und wir sind alle stolz auf dich.”
“Danke”, sagte Alexander zu Tränen gerührt.
Im Interview mit der Presse, die ja ungeduldig darauf wartete, den Künstler endlich vors Mikrofon zu bekommen, erklärte Alexander, dass er diese Oper seiner Familie, das hieß seiner Mutter, Armin, seiner inzwischen knapp vierjährigen Schwester Ute und seinen Paten Joey und Thomy widmete. Seine Familie, der er so viel zu verdanken hatte und die er über alles liebte, verdiente diese Widmung als Zeichen seiner Dankbarkeit und Zuneigung. Denn es betrübte ihn, dass er sich leider viel zu selten bei der Familie blicken ließ. Er wollte, dass es so in der Zeitung stand. Es war sein Vermächtnis an die Familie.
Das anschließende Fest, bei dem auf den Künstler angestoßen und viel diskutiert wurde, dauerte bis in die Morgenstunden.
*
In den nächsten Wochen und Monaten folgten in verschiedenen Städten Deutschlands und natürlich Österreichs Konzerte und Opernaufführungen, die ganz im Zeichen des Mozartjahres standen. In vielen Events wirkte er selbst mit, war aber auch in verschiedenen Aufführungen einfach nur Gast.
Ende Juni verließ er in München eine Veranstaltung inmitten der Aufführung. Er war enttäuscht über die Interpretation des dort aufgeführten Mozartwerkes.
“So war das nicht gedacht”, erklärte er dem Intendanten sein Verhalten, als dieser ihn ansprach.
“Das tut mir leid Herr Villamonti, dass Sie sich mit dieser neuen Interpretation nicht einverstanden erklären können.”
“Nicht einverstanden erklären können?”, fragte Alexander wütend, “es beleidigt mein Ohr, es beleidigt Mozart.”
Er sah verstört und blass aus. Er wurde mit einem Mal still und wirkte weit abwesend.
“Herr Villamonti?”, versuchte der Intendant ihn aus seiner plötzlichen abwesenden Starre herauszuholen. Alexander fühlte sich nicht wohl.
“Herr Villamonti”, drangen die Worte des Intendanten wie durch einen Nebel wieder an sein Ohr, “geht es Ihnen nicht gut? Soll ich einen Arzt rufen?”
Alexander schüttelte den Kopf. “Nein, keinen Arzt”, ich bin nur müde. Einfach nur müde. Ich gehe nach Hause.” “Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?”
“Ja gerne … ja, ein Taxi”, stammelte er.
*
Alexander fühlte sich ausgepowert, ja krank. ‘Vielleicht’, so dachte er, ‘sollte ich mir doch mal eine Auszeit
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