Der Triumph des 19. Jahrhunderts
Gesicht bekommen hatten. Dasselbe war nicht von Aïnos, sondern von Tataren bewohnt, wovon man sich einige Tage später überzeugte.
Krusenstern drang nun in den Kanal ein, der Saghalien von der Tatarei scheidet; kaum fünf Meilen von dessen Eingange zeigte die Sonde aber plötzlich nur noch sechs Faden Wasser. An ein weiteres Vordringen war unter diesen Umständen nicht zu denken. Es erging also sofort der Befehl zum Gegenbrassen, während ein Boot abgesendet wurde, um die beiden Ufer zu besichtigen und die Mitte des Kanals zu untersuchen, bis dieser nur noch drei Faden Wasser zeigen würde. Dasselbe hatte gegen eine heftige Strömung zu kämpfen, welche die Fahrt sehr beschwerlich machte und deren Ursache man in dem Amurflusse vermuthete, der unweit von hier ausmündete.
Da der Gouverneur von Kamtschatka Krusenstern jedoch gewarnt hatte, sich der unter chinesischer Herrschaft stehenden Küste der Tatarei zu sehr zu nähern, um nicht das Mißtrauen jener Macht zu erwecken, konnte jener seine Untersuchung leider nicht weiter führen; er kehrte vielmehr, die Kurilen noch einmal durchschneidend, nach Petropawlowsk zurück.
Der Commandant benutzte den Aufenthalt in diesem Hafen zur nothwendigen Ausbesserung seines Schiffes und veranlaßte die Wiederherstellung der Denkmäler des Capitän Clerke, des Nachfolgers Cook’s bei dessen letzter Erdumseglung, sowie Delisle’s und La Croyère’s, des französischen Astronomen und Begleiters Behring’s im Jahre 1741.
Krusenstern erhielt auf dieser letzten Station einen eigenhändigen Brief des Kaisers von Rußland, der ihm, unter Bezeigung der allerhöchsten Anerkennung für seine Arbeiten, den St. Anna-Orden übersandte.
Am 4. October 1805 begab sich die »Nadiejeda« endlich wieder auf den Weg nach Europa und untersuchte dabei die Meerestheile, in denen nach den Karten die zweifelhaften Inseln Rica de Plata, Guadalupas, Malabrigos, St. Sebastian de Lobos und San Juan liegen sollten.
Krusenstern lief dabei die Farellon-Inseln der Anson’schen Seekarte an, welche heutzutage die Namen St. Alexander, St. Augustin und Volcanos führen und südlich von Bonin Sima liegen. Nach Durchseglung des Kanals von Formosa landete er dann, am 21. November, im Hafen von Macao.
Hier verwunderte er sich nicht wenig, die »Newa« nicht vorzufinden, welche seiner Anordnung gemäß von Kodiak eine zum Einkaufe von chinesischen Waaren bestimmte Ladung Pelzwerk bringen sollte. Krusenstern beschloß also, das Fahrzeug abzuwarten.
Macao bot dem Reisenden den Anblick einer verfallenen Größe.
»Man sieht daselbst, heißt es in dem Berichte, große Plätze, umrahmt mit prächtigen Häusern innerhalb weiter Höfe und prächtiger Gärten, die meist aber leer stehen, da sich die portugiesische Einwohnerschaft stark vermindert hat. Die Hauptgebäude sind von holländischen und englischen»Logen« eingenommen. Macao zählt vielleicht fünfzehntausend Bewohner, der Mehrzahl nach Chinesen, denn auf der Straße wenigstens sieht man, außer Geistlichen und Kirchendienern, nur selten einen Europäer.«
»Wir haben mehr Priester als Soldaten!« sagte mir ein Bürger von Macao. Dieser Scherz ist buchstäblich wahr. Die Zahl der Soldaten erreicht kaum hundertfünfzig Mann, darunter keinen einzigen Europäer; es sind vielmehr lauter Mestizen aus Macao und Goa; selbst europäische Officiere befinden sich nicht darunter. Es möchte wohl sehr schwierig werden, vier große Forts mit diesem schwachen Häuflein zu vertheidigen. Seine Schwäche gestattet es den von Natur unverschämten Chinesen, sich ohne Scheu Alles zu erlauben.«
Als die »Nadiejeda« schon die Anker wieder lichten wollte, erschien die »Newa«. Es war das am 3. December. Krusenstern segelte nun mit derselben nach Whampoa, wo er seine Pelzladung vortheilhaft verkaufte, freilich erst nach unzähligen Schwierigkeiten, die nur durch seine feste, aber maßvolle Haltung und durch die Fürsprache englischer Kaufleute beseitigt wurden.
Am 9. Februar 1806 lichteten die beiden Fahrzeuge wieder die Anker und passirten vereinigt die Sunda-Straße. Jenseits der Weihnachtsinseln wurden sie jedoch bei nebligem Wetter wieder getrennt und fanden sich erst am Schlusse der ganzen Fahrt wieder. Am 4. Mai ankerte die »Nadiejeda« in der Bai von St. Helena, nachdem sie von der Sunda-Straße aus sechsundfünfzig und von Macao aus neunundsiebenzig Tage unter Segel gewesen war.
»Ich kenne, sagt Krusenstern, keinen geeigneteren Halteplatz als St. Helena, um nach
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