Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber deiner Lippen

Der Zauber deiner Lippen

Titel: Der Zauber deiner Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: OLIVIA GATES
Vom Netzwerk:
passierte sicher nicht oft, dass der Chefarzt persönlich sich derart intensiv um eine Patientin bemühte.
    Ende Februar war es immer noch kühl, und Cybele zitterte, als sie vor einem großen Mercedes standen. Doch auch daran hatte Rodrigo gedacht. Er hüllte sie in einen warmen Kaschmirmantel und half ihr, hinten einzusteigen. Dann glitt er neben sie auf die helle lederne Rückbank und gab dem Chauffeur ein Zeichen. Sofort setzte sich der Wagen in Bewegung und fuhr trotz zügiger Geschwindigkeit nahezu geräuschlos durch die fast leeren Straßen.
    Doch Cybele nahm kaum wahr, was um sie herum vorging. Ihre Aufmerksamkeit war nur auf den Mann neben sich gerichtet. Er wirkte angespannt, hatte die Lippen zusammengepresst und sah regungslos geradeaus. Was für ein klassisch schönes Profil er hat, ging es ihr durch den Kopf. Schließlich hielt sie das Schweigen nicht mehr aus. „Es tut mir so leid“, flüsterte sie.
    Er wandte sich ihr zu, das Gesicht unbewegt. „Was tut dir leid?“
    Das kam so schroff, dass sie zögerte weiterzusprechen. Doch sie konnte nicht anders. „Das … mit Mel.“ Er schwieg, und sie fuhr fort: „Was für ein Verlust für dich.“ Er biss die Zähne zusammen, sodass sein Kiefermuskel zuckte. „Ich kann mich zwar nicht an ihn oder die Art unserer Beziehung erinnern“, sagte sie leise. „Aber das ist bei dir natürlich vollkommen anders. Du hast deinen besten Freund verloren. Er starb dir unter den Händen weg, als du versucht hast, sein Leben zu retten.“
    „Als ich nicht fähig war, sein Leben zu retten, meinst du wohl!“
    Die Qual, die aus seinen Worten sprach, traf sie wie ein Hieb. „Nein, nein, du bist doch nicht schuld an seinem Tod. Du hast alles Menschenmögliche für ihn getan. Jeder wusste, dass er nicht mehr zu retten war.“
    „Und du glaubst, dass mir das hilft? Dass ich mich besser fühle? Vielleicht will ich mich gar nicht besser fühlen.“
    „Du hast nichts tun können, und daher trägst du keine Schuld an seinem Tod. Deine Selbstvorwürfe nützen niemandem etwas, am wenigsten Mel.“
    „Wie logisch du sein kannst, wenn es nichts nützt.“ Er lachte bitter auf. „Aber mach dir keine Sorgen um mich. Mir geht es gut. Die Sache habe ich längst weggesteckt. Mel ist tot, so ist es nun mal.“
    „Und du bist nicht schuld daran!“, sagte sie mit Nachdruck, denn es war mehr als deutlich, dass er sich Vorwürfe machte. „Nur darum geht es mir. Ich weiß, dass deshalb der Verlust nicht weniger schmerzlich ist. Und ich fühle sehr mit euch allen, mit dir, mit Mels Eltern, mit unserem Kind.“
    „Und du? Empfindest du keine Trauer?“
    „Nein.“
    Dieses eine kleine Wort stand zwischen ihnen im Raum, und weder Rodrigo noch Cybele ging weiter darauf ein, was wahrscheinlich in dieser Situation das Beste war. Doch zwanzig Minuten später richtete sie sich kerzengerade auf und starrte erregt aus dem Fenster. War das nicht …? Ja, das war der kleine Privatflughafen, von dem aus sie und Mel losgeflogen waren! Panik überfiel sie, als der Mercedes vor der Treppe einer Boeing 737 hielt. Sie wurde kreidebleich und griff nach dem einzig Stabilen in ihrem Leben – Rodrigo. Aber er hatte schon den Arm um sie gelegt und hielt sie fest.
    Plötzlich war alles wieder präsent, und unter der Last der Erinnerungen schien sie beinahe zusammenzubrechen. „Hier … hier sind wir an Bord gegangen …“
    Erschrocken sah er sie an, dann schloss er kurz die Augen und schlug sich an die Stirn. „Wie konnte ich nur … Entschuldige, Cybele, ich habe einfach nicht daran gedacht, wie schwer es für dich sein muss, hierher zurückzukommen, wo alles angefangen hat.“
    Tapfer schüttelte sie den Kopf. „Lass nur, Rodrigo. Vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee. Es ist doch immerhin möglich, dass dadurch mein Erinnerungsvermögen schneller zurückkehrt.“
    „Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich dich hergebracht habe. Es ist wegen Mels Trauerfeier.“
    „Was? Hier?“
    „Es ist keine übliche Zeremonie. Ich habe Mels Eltern kommen lassen, damit sie ihren Sohn dann … mitnehmen können.“
    Das heißt, die Eltern waren hier in dieser Maschine? Die offenbar Rodrigo gehörte. Und gleich würden sie herauskommen und sie begrüßen. Und statt einer Schwiegertochter, mit der sie ihren Schmerz teilen konnten, trafen sie auf eine Fremde, die sich weder an den Sohn noch an seine Eltern erinnerte und ihnen in ihrem Kummer keine Stütze sein konnte. Verzweifelt packte sie Rodrigo beim

Weitere Kostenlose Bücher