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Der Zorn Des Skorpions

Der Zorn Des Skorpions

Titel: Der Zorn Des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
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Augenwinkeln?
    »Aber ich kam zu dem Schluss, dass Sie jedes Recht haben zu erfahren, was Ihre Familie beabsichtigt. Ihr Vater will, dass Ihr Sohn gefunden wird. Soviel ich weiß, könnten Sie ihn über Cahill House in San Francisco zur Adoption freigegeben haben?«
    Immer noch nichts. Dr. Ramsby wartete, spürte, wie das Grau des Wetters in Seattle durchs Fenster kroch. Der Morgen war verregnet heraufgezogen, die wabernden Wolken hingen tief. Zwar war ihr Büro mit sanftem bernsteinfarbenem Licht, einem kuscheligen Zweiersofa mit passendem Sessel und mehreren Besucherstühlen vor ihrem Schreibtisch ausgestattet, doch das trübe Wetter überlagerte all die gutgemeinten Absichten hinter dieser Einrichtung.
    Jalicia hielt ihren Stift startbereit über Padgetts Akte, in der Absicht, Notizen zu machen, kam jedoch zu dem Schluss, dass es vergebliche Liebesmüh war, klappte den dicken Ordner zu und verstaute ihn in einer Schublade.
    »Die zweite Nachricht betrifft Ihren Bruder.«
    Nichts regte sich in den blauen Augen.
    »Er ist gestern gestorben. Auf Ihrem Familienbesitz in Montana.« Padgett hielt den Blick starr auf die Ärztin gerichtet, als ob sie aufmerksam zuhörte. »Die Polizei vermutet Mord. Nach meinem Gespräch mit Mr. Tinneman habe ich heute Morgen das Büro des Sheriffs von Pinewood County angerufen und mit einer Polizistin, Detective Alvarez, gesprochen. Die Polizei kann noch nicht sagen, wer Ihren Bruder erschossen hat.«
    Padgett bewegte sich leicht auf ihrem Stuhl. Öffnete die Hände und faltete sie wieder.
    »Vermutlich wird eine Begräbnisfeier stattfinden. Sie wollen doch sicher daran teilnehmen.« Es war eher eine Frage, und sie erntete eine Spur von Interesse, ein Blinzeln.
    »Padgett? Verstehen Sie, was ich Ihnen sage?«
    »Absolut«, antwortete die Frau, ohne zu zögern. »Mein Bruder ist tot, dann kann ich jetzt gehen.«
    Jalicia vergaß buchstäblich, den Mund zu schließen. »Was?« Padgett war schon im Begriff aufzustehen, als wäre die Diskussion nach fünfzehn Jahren des Schweigens nun beendet. »Moment mal. Seit Ihrem Eintritt in diese Einrichtung haben Sie kein Wort gesprochen, und jetzt … reden Sie … plötzlich … und Sie wollen gehen?«
    »Ich habe immer sprechen können.«
    »Aber Sie haben es nicht getan.«
    »Mit Ihnen und den albernen Ärzten, die mein Vater engagiert hatte, habe ich nicht gesprochen. Aber fragen Sie Rosie oder Toby oder … oder Scott.«
    »Wer sind die?«
    »Andere Insassen.«
    »Patienten meinen Sie … Wir haben keine Rosie oder …«
    »Rose Anne Weeks, Tobias Settlemeier und Scott Dowd. Alle vor Ihrer Zeit. Insassen.«
    »Wo sind sie jetzt?«
    »Sie sind tot, Dr. Ramsby. Irgendwer hat mich hierher in genau dieses Zimmer geholt, um mir zu sagen, dass sie tot sind. Rosie hat Selbstmord begangen – hat sich in der nächsten Einrichtung, in die ihre Eltern sie eingewiesen haben, aufgehängt. Toby sitzt im Gefängnis. Das hat mir keiner gesagt. Ich sollte es nicht wissen. Doch ich habe gehört, wie Schwester Martha einem der Pfleger davon erzählt hat.« Sie lächelte zuckersüß. »Sie ist eine Klatschbase, wissen Sie, und sie isst den Nachtisch von Insassen, die sie nicht richtig durchschauen können. Sie ist ganz wild auf Apfelknusper und Eis.«
    Sie wandte sich der Tür zu.
    »Unser Gespräch ist noch nicht beendet«, sagte Dr. Ramsby.
    »O doch. Ich weiß, dass ich freiwillig hierhergekommen bin und dass nie eine Vormundschaft eingerichtet worden ist. Sonst wäre ich bestimmt einem Gutachter vorgeführt worden, der meine Fähigkeit oder Unfähigkeit, für mich selbst zu sorgen, eingeschätzt hätte. Da das nie der Fall war, vermute ich, mein Vater ging davon aus, dass mein Bruder sich immer um meine Betreuung kümmern würde.« Ihr Blick wurde dunkel vor tiefem, siedendem Hass. »Ausgerechnet der.« Sie griff nach der Türklinke. »Da er jetzt tot ist, bin ich meines Lebens wieder sicher, und ich weiß, dass Sie die Befugnis und Geld haben, das mir zur Verfügung steht. Das weiß ich auch wieder von Schwester Martha; vielleicht redet sie ein bisschen mehr, als gut für sie ist. Sie bitte ich jetzt um einen Wagen, der mich abholt und zum Flughafen bringt. SeaTac ist nicht weit von hier. Ich kann die Flugzeuge sehen und hören, und ich würde gern den nächsten Flug nach San Francisco erreichen.«
    »Denver meinen Sie, nicht wahr?«, berichtigte Dr. Ramsby. Allmählich glaubte sie, dass die schlanke Frau vor ihren Augen genau wusste, was sie

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