Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
Euch riskierte und für Euch sein Augenlicht gab, den Kopf abschlagen, ohne ihn zuvor anzuhören? Das ist nicht der König, den ich kenne und dem ich dienen möchte!«
Keandir atmete tief durch. Seine blicklosen schwarzen Augen wirkten wie leere Höhlen, sein blasses Gesicht wie eine Maske aus Wachs. Noch immer tobte der Zorn durch ihn, doch wenn Sandrilas auf diese Weise zu ihm sprach, wenn er den König derart ermahnte, dann musste er dies ernst nehmen, denn im ganzen Elbenreich gab es niemanden, der ihm gegenüber loyaler eingestellt gewesen wäre als dieser Prinz, der Keandir seit Ewigkeiten als väterlicher Freund, Berater und Mentor begleitet hatte.
Als Keandir seine Sprache wiedergefunden hatte, war seine Stimme sehr leise. »Ihr habt sicher nichts dagegen einzuwenden, wenn ich Hauptmann Rhiagon zur Rede stelle.«
»Wenn Ihr mit zur Rede stellen auch wirklich ein Gespräch meint und keinen im Zorn begangenen Mord, dann ja«, erwiderte Sandrilas.
»Ihr könnt mich begleiten, Prinz Sandrilas. Begleitet mich und tut das, was Ihr von frühester Jugend an getan habt. Ein Auge auf mich werfen und darauf achten, dass ich nichts tue, was ich später bereuen könnte!«
»Ein Auge auf Euch werfen«, wiederholte Prinz Sandrilas.
»Ich habe nur noch eins, mein König, und es soll für immer Euch gehören.«
Die Tür zu Hauptmann Rhiagons Quartier flog zur Seite, und Keandir stürmte in den Raum, gefolgt von Prinz Sandrilas.
Hauptmann Rhiagon lag in seinem Bett – ausgestreckt und regungslos. Er atmete nicht mehr, was bei einem Elben nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem Tod war. Aber auch der Herzschlag hatte ausgesetzt, und wenig später gab es keinerlei Zweifel daran, dass seine Seele nicht mehr im Reich der Diesseitigen weilte.
Die Kristallaugen hatte er herausgenommen. Sie lagen in einer Schale auf dem Tisch am Fenster. Auf dem Boden fand sich eine kleine verzierte Dose, die Reste eines Pulvers enthielt, das einen sehr charakteristischen Geruch verströmte.
»Ein besonders starkes Extrakt der Sinnlosen«, stellte Sandrilas fest. »Die Heiler gaben es dem Hauptmann gewiss zur Linderung seiner Schmerzen, aber wenn man zu viel davon nimmt, bringt es einen auf direktem Weg nach Eldrana.«
»So hat er seine eigene Schande nicht ertragen können«, sagte Keandir mit leiser Stimme. »Aber das ist mir kein Trost…«
Die Finsternis wich aus Keandirs Augen, als er das Quartier des Hauptmanns verließ, und sie füllten sich mit Tränen des Zorns über ein Schicksal, das er nicht hatte bezwingen können.
11
HEERZUG DES GRAUENS
Nie hatte man ein solches Heer gesehen wie das, welches vom Norden Karanors aus durch Aratan zog. Kolonnen von Stierkriegern mit zwei oder vier Hörnern bewegten sich auf die Hauptstadt zu. Riesenhafte, skorpionähnliche Wesen, die sogar die karanorischen Riesenechsen überragten, zogen Katapulte hinter sich her, dienten aber auch als Reittiere für käferartige Kreaturen, deren Größe etwa der eines ausgewachsenen Rhagar entsprach. Die Käferkrieger verfügten neben ihren furchteinflößenden Beißwerkzeugen noch über ein Arsenal an umgeschnallten Hieb-, Stich- und Wurfwaffen. Im Kampf richteten sie sich auf, staksten auf ihren Hinterbeinen dahin, während sie mit den Greifzangen an den Enden ihrer vorderen beiden Extremitätenpaare Waffen aller Art führen konnten.
Ein nicht abreißender Strom von Kriegern, die halb Tier und halb Mensch waren, verließ auf unzähligen monströsen Reittieren den Tempel der Sechs Türme. Im Tempel selbst war das Tor zum Limbus geöffnet, und all jene Geschöpfe, die der Herrscher des Dunklen Reichs dort um sich geschart hatte, strömten ungehindert ins Zwischenland.
Nur Xaror selbst hielt sich noch im Verborgenen.
Möglicherweise wollte er mit seinem eigenen Erscheinen warten, bis tatsächlich die ganze unter seinem Kommando stehende Streitmacht des Schreckens die Grenze zwischen dem Limbus und der diesseitigen Welt überschritten hatte.
Magolas aber ritt mit dem Zug nach Aratania. In der Ebene vor der Stadt errichteten die Schattenkrieger des Limbus ihr schauriges Heerlager. Die mit Kriegsgerät bestückten Riesenskorpione wurden von den Käferartigen von ihren Lasten befreit, die Katzenkrieger entzündeten Feuer oder ließen ihre Flammendämonen aus Langeweile gegeneinander kämpfen, und Riesenfledertiere machten lautstark darauf aufmerksam, dass sie gefüttert werden wollten.
Die Stierkrieger ließen sich einfach am Boden nieder, um zu
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