Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
Rain.«
»Okay«, sagte ich lächelnd.
Auf dem Weg zur Küche erzählte ich ihm von meinem Leben in England. Kurz bevor wir die Küche erreichten, verriet ich ihm, wie ich meinen leiblichen Vater gefunden hatte und dass Großmutter Hudson mir geraten hatte, ihn in Ruhe zu lassen.
»Tatsächlich?«, fragte er mit weit aufgerissenen Augen. »Wirst du jetzt bei ihm leben?«
»Nein«, sagte ich. »Dazu ist es zu spät. Großmutter Hudson hatte Recht. Komm mit«, forderte ich ihn auf und öffnete die Küchentür. »Darf ich dir Mrs Chester vorstellen?«
Sie schaute von einer Schüssel Salat auf, den sie klein hackte.
»Also, was is das denn?«, fragte sie schnell. »Eine Invasion von Yankees?«
»Das ist mein Bruder Roy«, sagte ich. »Roy, das ist Mrs Chester.«
»Erfreut, Sie kennen zu lernen, Ma’am«, sagte er.
Sie schaute mich an und dann ihn. Ich merkte, dass sie die Unterschiede in unserem Aussehen abschätzte.
»Er ist zu Besuch aus Deutschland«, erklärte ich. »Er hat achtundvierzig Stunden Urlaub.«
»Tatsächlich?«
»Ich dachte, es wäre in Ordnung, wenn er uns beim Arbeiten zuschaut, und vielleicht könnten Sie ihm etwas zu essen geben, solange er darauf wartet, dass ich fertig bin«, fuhr ich fort.
»Setzen Sie sich da drüben hin«, sagte sie und nickte zu dem kleinen Tisch und den Stühlen in der Ecke. »Wir haben heute eine leckere Shepherds Pie.«
Roy zog die Augenbrauen hoch und schaute mich fragend an.
»Die ist sehr gut, Roy. Mrs Chester ist eine ausgezeichnete Köchin.«
»Ich tue, was ich tun muss«, murmelte sie. »Es gibt viel bessere als mich.« Sie warf Roy einen Blick zu.
»Wie ist denn so das Essen in der Yankee-Armee?«, fragte sie ihn.
Roy lachte.
»Wir bezeichnen das nicht als Essen«, sagte er.
Sie starrte ihn einen Augenblick an und lachte dann.
»Ich weiß, was das bedeutet. Oh ja«, sagte sie und wackelte mit dem Kopf.
Ich lächelte Roy an und begann den Tisch zu decken. Roy blieb während des ganzen Essens in der Küche, aber als ich den Nachtisch servierte, kündigte ich an, dass er da war.
»Ihr Bruder?«, fragte Großtante Leonora erstaunt. »In unserer Küche?«
»Ja, Ma’am.«
»Sie hätten uns das eher sagen sollen. Er hätte mit uns am Tisch essen können«, fügte sie hinzu.
Am Ausdruck auf Großonkel Richards Gesicht erkannte ich, dass er das nicht gebilligt hätte. Ich brachte Roy mit ins Speisezimmer und stellte ihn vor. Großonkel Richard schaute weiter wenig erfreut drein, aber Großtante Leonora plapperte ohne Unterlass über amerikanische Soldaten in London und dass eine ihrer Wohltätigkeitsgruppen einmal einen Tanzabend für sie veranstaltet hatte.
»Das ist doch schon lange her; es zahlt sich doch nicht aus, das jetzt wieder anzusprechen, Leonora«, wies Großonkel Richard sie zurecht.
»Wo übernachten Sie, Roy?«, fragte Großtante Leonora und ignorierte ihren Mann einfach.
»Ich habe ein Zimmer in einer Pension.«
»Wie nett«, sagte sie. »Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir es arrangieren können, dass Sie bei uns übernachten«, fügte sie hinzu.
Großonkel Richard verdrehte die Augen. Er räusperte sich und drehte Roy den Rücken zu. Ich nickte ihm zu, worauf er ihnen sagte, wie sehr er sich freue, sie kennen gelernt zu haben, und in die Küche zurückkehrte.
»Was für ein gut aussehender junger Mann«, meinte Großtante Leonora. »Es liegt viel an der Uniform, nicht wahr? Das macht sie alle so attraktiv.«
»Unsinn, Leonora.Wenn das an der Uniform läge, würdest du beim Anblick eines Bobbys in Ohnmacht fallen.«
»Oh, ein Polizist ist etwas anderes, mein Lieber. Er ist … anders«, beharrte sie.
Großonkel Richard zog die Augenbrauen hoch und warf mir einen Blick zu. Ich schaute rasch weg und begann den Tisch abzuräumen.
»Vielleicht solltest du ihr morgen freigeben, Richard«, schlug Großtante Leonora vor, gerade als ich das Speisezimmer verlassen wollte.
»Wir haben zu wenig Personal, jetzt wo Mary Margaret weg ist, und außerdem hat sie Schule«, murmelte er.
Ich blieb in der Küche, bis sie fertig waren, und ging dann hinaus, um schnell den Tisch zu Ende abzudecken.
»Du gehst jetzt und plauderst mit deinem Bruder«,
sagte Mrs Chester. »Ich kann das hier fertig machen.«
»Aber …«
»Halt jetzt die Klappe! Geh einfach, bevor ich meine Meinung ändere«, befahl sie.
Ich dankte ihr und ging mit Roy in mein Zimmer zurück.
»Wir könnten einen schönen Spaziergang machen«, schlug ich vor. »Ich
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