Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
unterschreibe«, sagte ich so ruhig wie möglich.
»Um Himmels willen«, rief sie und riss mir die Dokumente aus der Hand. »Das ist eine Standardvollmacht, die mir das Recht gibt, Papiere für uns beide zu unterzeichnen. Ich werde sie von deinem Anwalt kontrollieren lassen. Dann kannst du sie unterschreiben und dich sicher vor den Klauen deiner bösen, bösen Tante fühlen.«
»Du würdest doch auch nichts ohne deinen Anwalt unterschreiben, oder?«, warf ich ihr vor.
Sie starrte mich an.
»Nein«, gab sie zu. »Aber ich würde einem geschenkten Gaul auch nicht ins Maul schauen. Wenn ich eine Tante wie mich hätte, verantwortungsbewusst, einsatzfreudig, engagiert, die sich um meinen Besitz kümmert, wäre ich nicht so wenig kooperativ.«
»Ich will nicht undankbar erscheinen. Das ist einfach alles zu viel für mich«, gab ich zu.
Sie nickte.
»Ja, du bist die Tochter deiner Mutter. Megan hat sich nie geschämt, ihre Schwächen einzugestehen.«
»Ich gestehe keine Schwächen ein«, rief ich. Sie konnte einen so wütend machen, einem das Gefühl geben, völlig verdreht zu sein.
»Wie auch immer«, sagte sie, erhob sich und wedelte mit der Hand in meine Richtung, als wäre ich eine lästige Fliege. »Ich habe viel zu tun. Ich hatte gehofft, du würdest es mir leichter machen, aber ich ackere einfach immer weiter und stehe das durch, wie ich es immer getan habe. Ich komme so bald wie möglich wieder«, sagte sie, als sie zur Tür ging. Dort blieb sie, den Rücken zu mir gekehrt, eine ganze Weile stehen, als müsste sie sich entscheiden, mir etwas zu erzählen oder auch nicht. Schließlich drehte sie sich um.
»Da ist noch eins«, sagte sie. »Ich hätte es fast vergessen oder besser gesagt, ich wollte im Augenblick nicht noch mehr Probleme schaffen.«
»Was ist es?«, fragte ich mit müder Stimme.
»Es betrifft deinen Stiefbruder Roy.«
»Was? Was ist mit ihm?«
»Ich finde, du hast ein Recht, alles zu erfahren, was dich betrifft, ob du nun im Rollstuhl sitzt oder nicht.«
Sie öffnete ihre Aktentasche wieder, suchte einige Papiere durch und ließ mich ängstlich warten.
»Der Name meiner Mutter stand auf dem Umschlag, deshalb wurde er an mich weitergeleitet,
ohne zu beachten, dass er an dich gerichtet war. Meine Sekretärin öffnete ihn und legte ihn mir auf den Schreibtisch, wie sie es mit jeder Korrespondenz macht. Wo habe ich es nur hingetan … oh, hier ist es.«
Sie hielt es hoch.
»Es ist von einem Armeeanwalt, der dich informiert, dass er vor ein Kriegsgericht gestellt worden ist, weil er während seiner Bewährungszeit wieder straffällig geworden ist.«
»Was? Was denn für eine Bewährungszeit?«
»Ich habe keine Ahnung von den Einzelheiten«, sagte sie.
Sie reichte mir das Papier. Ich las es schnell durch, die Rechte an der Kehle, weil mir die Luft wegblieb. Roy hatte versucht, aus der Armee zu desertieren, war erwischt und unter Arrest gestellt worden.
»Oh, nein«, stöhnte ich. »Vermutlich hat er das getan, nachdem er das über mich erfahren hatte. Ich hätte ihm nicht schreiben und ihm von dem Unfall berichten sollen.«
»Nein. Vielleicht nicht. Wenn du mich um Rat gebeten hättest, hätte ich dir einen anderen Vorschlag gemacht. Genau wie Megan«, wiederholte sie kopfschüttelnd, »immer impulsiv. Tritt immer erst einen Schritt zurück, bevor du dich entscheidest, ganz gleich was es ist«, belehrte sie mich. Sie schüttelte den Kopf und schloss dann abrupt ihren Aktenkoffer. »Ich muss gehen.«
Sie drehte sich um und ließ mich zurück. Ich hielt das schreckliche Papier in Händen und fragte mich, wann ich endlich aufhören würde, die Menschen zu verletzen, die ich liebte.
Glücklicherweise kehrte Austin überraschend zurück. Vielleicht weil er angerufen und Mrs Bogart ihm mitgeteilt hatte, dass ich beim Abendessen keinen Bissen heruntergebracht hatte, beschloss er noch einmal wiederzukommen. Nachdem ich das von Roy erfahren hatte, krampfte sich mir der Magen beim bloßen Gedanken an Essen wie eine Faust zusammen. Schließlich wandte ich mich vom Tisch ab und rollte davon, ohne Mrs Bogarts Befehle, Drohungen und Warnungen zu beachten. Zuerst wollte ich nur schlafen gehen, aber mein Frust und meine Wut hatten sich bis zum Explosionspunkt aufgebaut.
Draußen herrschte Zwielicht, es war noch ziemlich warm. Ich fuhr zur Haustür, öffnete sie und rollte hinaus.
»Was denken Sie sich eigentlich? Wo wollen Sie um diese Tageszeit hin, Mädchen?«, verlangte sie zu
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