Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
anstrengend/fordernd/zukunftsorientiert wird. Und ab da dann eben austauschen.
Dass Rainer und ich uns gerade an einem kritischen Punkt befinden, wurde mir klar, als ich beim Anblick meiner Bürste im Badezimmer an Wegschmeißen oder Behalten dachte. Nicht, dass Rainer mich akut austauschen will, aber ich merke, dass alles in unserem Leben gerade auf diese spezielle Grenze zuläuft. Als ob man eine sehr lange, sehr lustige Kneipentour hinter sich hat und jetzt plötzlich vorm Puff steht. Reingehen und die Nummer durchziehen oder »bis hierhin und keinen Schritt weiter«?
Der Besuch im Puff und die Entscheidung zu heiraten ist für Männer erst mal ein aufregender, aber mindestens ebenso gruseliger Gedanke. Wenn man in den Puff geht, dann besoffen oder weil die Stimmung gerade passt. Genauso kann man seinen Kumpels auch den Entschluss, seine aktuelle Freundin zu heiraten, erklären. Das verstehen die. Denk ich mir.
Im Grunde hab ich aber keine Ahnung, weil ich eben eine Frau bin. Und es ist mir eigentlich auch egal, was irgendwelche Kumpels zu irgendeinem Typen sagen. Was mir wichtig ist, sind Rainer und ich. Und was jetzt kommt. Nach fast fünf Jahren kann man nicht mehr behaupten: »Wir gucken erst mal, wie’s so läuft …«
Es läuft gut. Es ist ein anständiges, ordentliches Leben. Wenn ich zwischen Rainer und meiner Bürste von Manufactum wählen müsste, wäre die Bürste morgen weg. Klar, sie sieht nach wie vor gut aus und hat zehn Jahre lang einen ordentlichen Job gemacht, aber ich fühle nichts für die Bürste. Außer Dankbarkeit, vielleicht.
Für Rainer fühle ich eine ganze Menge. Nicht so wie am Anfang, natürlich. Ich kriege kein Herzklopfen, wenn ich ihn auf der Treppe höre, ich rasier mir nicht eine halbe Stunde vor jedem Treffen mit ihm die Beine und geh schon lange nicht mehr geschminkt ins Bett. Aber wenn ich mir vorstelle, dass er morgens nicht da ist, wenn ich wach werde, und zwar nicht nur für ein paar Tage sondern nie mehr, dann geht es mir schlecht. Das ist der Trick, wenn man in einer langjährigen Beziehung rausfinden will, ob das Ganze noch Sinn macht. Nicht fragen: »Wie geht’s mir, wenn er da ist?«, sondern: »Wie geht’s mir, wenn er nicht mehr da ist?«
Wir hatten vor kurzem Sex in der Küche, und aus irgendeinem Grund wollte Rainer danach unseren neuen Design-Toaster wegschmeißen. Auf meine Frage, wieso er nach Sex mit mir auf einmal unseren Toaster hassen würde, kam von ihm: »Du stehst doch sowieso nur auf durchdesigntem Kram, und ich bin Polen.«
Damit ging er ins Wohnzimmer und guckte Fußball, während ich mir noch völlig ratlos die Hose wieder hochzog und den Timer am hochmodernen Cerankochfeld ausmachte, den mein Hintern beim Wackeln versehentlich ausgelöst hatte.
Hier ist der scheiß Kassenzettel! Ich fass es nicht! Ich hab den damals gesucht wie blöd!
Hättest du lieber mal vorher ein passendes Geschenk gesucht … wobei – blöd ist ja schon mal das richtige Stichwort.
Geht das jetzt schon wieder los!
Wenn Kolumbus so intensiv nach dem Seeweg gesucht hätte wie du nach einem Geschenk für mich, dann wär er gleich in Italien geblieben.
Spanien.
Hm?
Kolumbus war in Spanien.
Bäbäbäbä.
Der Zettel ist bares Geld wert, du Nase! Damit hättest du mein Geschenk umtauschen können und dir selbst was Schönes kaufen können. Zehn Pfund Lippenstift oder was du sonst so gut findest …
Lippenstift? Du glaubst, ich benutze Lippenstift?
Das war ein Beispiel!
Hast du mich in den letzten Jahren überhaupt mal angeguckt?
Du schmierst dir doch immer Zeug auf die Lippen! Das hab ich selbst schon gesehen.
Wenn Kolumbus so viel von Seefahrt verstanden hätte wie du von Frauen, wär er nach zehn Metern abgesoffen. In SPANIEN !
Was hast du denn heute mit Kolumbus?
Einer der großen Entdecker der Menschheit. Steht hier in dem Buch, das du mir mal geschenkt hast …
Fandest du das etwa auch doof?
Rate mal!
Die Sache mit dem Schenken
Es gibt nur zwei Arten, auf ein Geschenk zu reagieren: echte Freude und vorgetäuschte Freude. Keine adäquate Art ist: »Hast du den Kassenzettel noch?« Das war aber Ramonas Antwort auf mein Geschenk zu ihrem Geburtstag, und ich finde, die geht nicht. Die ist unhöflich. Man buht ja auch nicht bei den Paralympics. Die Leute, die da mitmachen, haben alle ein Handicap, geben sich aber Mühe. Genau wie ich an Ramonas Geburtstag.
Mein Handicap ist, dass ich ein Mann bin, und Männer können nun mal nichts schenken. Das ist
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