Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Hebamme her nach unten stolperte.
»Hier ist das Mädchen. Aber glaubt mir, es kann Euch auch nichts sagen. Seht doch nur, es ist wie versteinert, das arme kleine Ding!«
Ja, dachte Laura teilnahmslos. Die Hebamme hatte recht. Sie hatte sich in Stein verwandelt. Wie ein Löwe mit marmornen Füßen und abgebrochenen Flügeln, der sich nun niemals wieder in die Lüfte erheben konnte.
Ein Mann sprach zu ihr. Er befragte sie eindringlich, aber mit leiser und teilnahmsvoller Stimme. Sie konzentrierte sich und gab sich Mühe, alles zu beantworten, während sie auf ihre Füße schaute, diese steinernen, schweren Anhängsel.
Nein, sie hatte den Fremden noch nie vorher gesehen.
Nein, er hatte nicht mit ihr gesprochen. Er hatte sie gepackt und zur Tür gezogen.
Dort, wo der Vater niedergesunken war, waren Blutflecken zu sehen. Man hatte ihn fortgebracht, und jemand hatte den Boden aufgewischt; hier und da waren noch Wasserspritzer. Das Blut war aber wohl zu schnell in die Holzbohlen eingedrungen, sodass die Flecken für immer bleiben würden. Gezackt und rötlich, wie das Mal an der Hand des maskierten Mannes.
Die Übelkeit wurde unerträglich. »Mir ist schlecht«, stieß sie heraus und drückte die Hand vor den Mund.
Jemand geleitete sie vor die Tür, wo sie auf der Fondamenta stehen blieb und sich in den Kanal übergab, bis sie nur noch würgen konnte und ihr ganzes Innere schmerzte wie eine einzige Wunde.
Die Hebamme führte sie wieder nach oben in ihr Zimmer und drängte sie, sich ins Bett zu legen. Mit einem feuchten Tuch wischte sie ihr die Stirn ab. »Du armes, armes Ding! Aber so ist es oft im Leben. Glaub mir, das sehe ich ständig. Fast jeden Tag. Der Herr gibt, der Herr nimmt. Einer geht, einer kommt.«
Laura wusste nicht, was die Frau meinte. Sie vergrub den Kopf in den Kissen, um das Stöhnen und Weinen der Mutter nicht mehr hören zu müssen, doch die grauenvollen Bilder konnte sie damit nicht auslöschen. Laut aufschluchzend ergab sie sich ihrem Kummer. Doch viel schlimmer als die Trauer um ihren Vater war ihre Angst vor dem Unglück, das noch kommen würde, denn sie wusste, dass es noch nicht vorbei war.
Als Maler hatte Guido Monteverdi der Scuola dei Depentori angehört. Wie immer beim Tod eines Mitglieds kümmerte die Zunft sich um die Hinterbliebenen, wenn diese selbst nicht dazu imstande waren. Noch am Nachmittag wurde eine Totenwache für die kommende Nacht organisiert und Guidos Leichnam in der Kirche der Contrada aufgebahrt, während seine Witwe Stunde um Stunde in den Wehen lag.
Frauen von Zunftmitgliedern brachten der Familie Essen und Wein, sie schwirrten emsig durch die Räume des kleinen Hauses und taten alles, was nötig war, um die äußere Ordnung aufrechtzuerhalten. Sogar eine Amme war herbeigeholt und vom Zunftmeister aus Mitteln der Scuola im Voraus entlohnt worden, damit die Witwe in gebührender Ruhe trauern konnte. Laura hörte eine Frau mit der Hebamme darüber sprechen.
»... dumm wie Stroh, aber eine gute Amme ...«
»... hat Milch für drei Kinder, wenn es sein muss ...«
Dann sagte jemand, die Amme solle sich in die Kammer der Tochter setzen, dort sei sie nicht im Weg. Laura zog sich hastig die Decke über den Kopf, lugte aber durch einen Spalt hinaus, die Hände auf die Ohren gepresst, weil sie die Schreie der Mutter nicht ertragen konnte.
Die Amme betrat das Zimmer. Sie war stämmig, rundgesichtig und ganz offensichtlich schwachsinnig. Nachdem sie sich ein paar Mal suchend um die eigene Achse gedreht hatte, setzte sie sich auf einen Schemel vor dem Fenster und vertrieb sich die Zeit damit, dümmliche kleine Liedchen zu trällern, an ihrer gerüschten Haube zu zupfen und dabei selig vor sich hin zu grinsen. Laura, die vergeblich darauf gehofft hatte, dass die ungebetene Besucherin sich rasch entschloss, lieber unten zu warten, streifte die Decke ab, setzte sich auf und starrte die Frau an.
»Seid still«, herrschte sie die Amme an, doch diese gehorchte dem Befehl nur für wenige Augenblicke, gerade so lange, wie sie brauchte, um zu merken, dass außer ihr noch jemand im Raum war.
Mit törichtem Erstaunen blickte sie Laura an. »Wo kommst du her?«, fragte sie lispelnd.
»Ich war schon vor dir hier«, sagte Laura erschöpft.
»Wie heißt du?«
»Laura«, antwortete Laura widerwillig.
»Ich heiße Lodovica. Ich bin eine Amme.« Es klang stolz und war von einem so breiten Lächeln begleitet, dass Laura alle Zähne der Frau sehen konnte. Sie hatte nicht so
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