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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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von einem so hohen Berg, wie es
ihn weder auf der Erde noch auf dem Mars gibt, in einem
unwirtlichen virtuellen Vakuum, das ihr das Gefühl
vermittelt, jeden Moment müsse ihr der Kopf platzen, erkennt
Dee, was Wildes kryptische Bemerkung bedeutet.
     
    »Du zuerst«, sagt Tamara. Die anderen nahmen auf
ihren Stühlen Platz, und Wilde trat ans Mikrofon. Talgarth
drückte die Zigarette aus, die er sieben Minuten lang
geraucht hatte, und nickte.
    Wilde äußerte die gleichen
Höflichkeitsfloskeln wie Reid, dann fuhr er fort:
    »Ehrwürden, ich bin gerne bereit, nicht nur
Rechenschaft über meine Handlungen abzulegen, sondern auch
über die, welche in meinem Namen begangen wurden. Für
die Handlungen des Robots Jay-Dub allerdings übernehme ich
keine Verantwortung und bestreite, dass er mir gehört. Meine
gegenwärtige körperliche Existenz begann am
Fünfttag gegen Mittag, als ich wieder zum Leben erweckt
wurde. Der Robot Jay-Dub hat behauptet, dies bewerkstelligt zu
haben, und zwar mit Methoden, die sich meiner Kenntnis
entziehen…«
    Reid sprang auf.
    »Einspruch!«, sagte er. »Das ist
irrelevant.«
    »Stattgegeben.«
    Wilde schluckte. »Also gut, Ehrwürden. Den
Sachverhalt kann ich auch dadurch belegen, dass ich auf die
Aufzeichnungen über Jay-Dubs Transaktionen bei der Stras
Cobol Mutual Bank verweise, die ich dem Gericht insofern, als sie
gerichtsrelevant sind, gerne zur Kenntnis bringe. Daraus geht in
der Tat hervor, dass der Besitzer Jay-Dubs ein gewisser Jonathan
Wilde ist. Und des Weiteren, wer dieser Jonathan Wilde ist. Die
frühesten Aufzeichnungen betreffen Transaktionen mit David
Reids Firma, der Gesellschaft für Wechselseitigen Schutz.
Darin wird der Name ›Jay-Dub‹ ausdrücklich als
Synonym für Jonathan Wilde gebraucht und gleichzeitig
anerkannt, dass der Robot Jay-Dub identisch mit der Person Wilde
ist. Der Robot Jay-Dub wurde über viele Jahre hinweg
anstandslos als Jonathan Wilde akzeptiert – kurz gesagt,
Jay-Dub ist Jonathan Wilde! Sämtliche Belege, in
denen Wilde als Besitzer des Robots Jay-Dub bezeichnet wird,
können daher allein so interpretiert werden, dass Jay-Dub
Jonathan Wilde im gleichen Sinn gehört wie mir, Jonathan
Wilde, mein eigener Körper.« Er lächelte schwach.
»Die zufälligen namentlichen Übereinstimmungen
bedaure ich.«
    Eon Talgarths Augen, der auf dem Podium auf seinem Stuhl
saß, befanden sich mit denen des stehenden Wilde auf
gleicher Höhe. Einen Moment lang trafen sich ihre
Blicke.
    »Das Gericht wird über diesen Punkt
entscheiden«, sagte Talgarth. »Der Jay-Dub genannte
Robot befindet sich unserer Kenntnis nach gegenüber allen
anderen Bewohnern dieser Kolonie in einer einzigartigen Lage.
Allerdings haben sich früher einmal viele der besagten
Bewohner in dieser Lage befunden, in der er allein verharrte. Ich
erkenne Ihre Argumentation an und beschließe, dass
sämtliche gegen Jonathan Wilde in seiner Eigenschaft als
Besitzer des Robots Jay-Dub erhobenen Beschuldigungen gegen den
Robot in seiner Eigenschaft als autonomer Mechanismus erhoben
werden müssen.« Er ließ den Blick
umherschweifen. »Er ist nicht vor Gericht erschienen und
sollte unverzüglich benachrichtigt werden. Die
Beschuldigungen gegen diesen Jonathan Wilde bleiben weiter
anhängig.«
    Reid machte Anstalten, wutentbrannt aufzuspringen, doch die
neben ihm sitzende Frau fasste ihm beim Arm und hielt ihn
zurück. Nach kurzem Getuschel beruhigte Reid sich
wieder.
    »Der gefasste Beschluss ist nicht maßgeblich
für Fragen hinsichtlich der Persönlichkeit von
Maschinen als solchen«, fuhr Talgarth fort. »Die
Frage, wem Dee Model gehört, muss noch geklärt werden.
Dessen ungeachtet, ob ihre Betriebssysteme defekt waren oder
nicht und ob irgendjemand dafür verantwortlich ist, wird
Reids Behauptung, er habe sie nicht freigegeben, nicht
bestritten. Daher gilt er nach wie vor als ihr Besitzer, und
beide Streitparteien sind aufgefordert, hinsichtlich ihrer
Ergreifung und Rückgabe zusammenzuarbeiten.«
    Tamara erhob sich, und Talgarth erteilte ihr mit einem kurzen
Nicken das Wort.
    »Ehrwürden, dieses Gericht hat schon viele Male das
Recht von Maschinen auf Autonomie anerkannt. Das und nicht die
Frage eines eventuellen Verzichts auf Besitzansprüche,
hinsichtlich derer ich mich geirrt habe, wie ich freimütig
bekenne, ist die Grundlage, auf der wir Dee Models Recht auf
Selbstverfügung geltend machen möchten.«
    Talgarth

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