Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
sagen, dieses beste Wissen war schlecht genug. Ich wusste nichts über England und den Hof und die edlen Familien dort; von jugendlichem Drang zu Prahlerei verleitet (in frühen Tagen hatte ich diesen Hang, bestehend aus einer nicht ganz mit der Wahrheit übereinstimmenden Art zu reden und anzugeben, habe ihn mir aber längst abgewöhnt), erfand und erzählte ich ihm tausend Geschichten; ich beschrieb ihm den König und die Minister, behauptete, der britische Botschafter in Berlin sei mein Onkel, und versprach meinem Bekannten ein Empfehlungsschreiben an diesen. Als der Offizier mich nach meines Onkels Namen fragte, war ich nicht imstande, ihm den richtigen zu nennen, und sagte deshalb, er heiße O’Grady: ein Name so gut wie jeder andere, und auch die O’Gradys aus Kilballyowen in der Grafschaft Cork sind, wie ich gehört habe, so gut wie jede andere Familie auf der Welt. An Geschichten über mein Regiment litt ich natürlich keinen Mangel. Ich wünschte, meine anderen Geschichten wären ebenso echt gewesen.
An dem Morgen, da ich Kassel verließ, kam mein preußischer Freund lächelnd, mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck, zu mir und sagte, er wolle ebenfalls nach Düsseldorf reisen, wohin, wie ich gesagt hatte, mein Weg führen sollte; so ließen wir unsere Pferde Kopf an Kopf vorantraben. Das Land war unbeschreiblich trostlos. Der Fürst, auf dessen Gebiet wir uns befanden, war als der skrupelloseste Menschenhändler 131 in Deutschland bekannt. Er verkaufte an jeden, der bezahlen konnte, und in den fünf Jahren, die der Krieg (später der Siebenjährige Krieg genannt) nun währte, hatte er die männliche Bevölkerung seines Fürstentums so vermindert, dass die Felder ungepflügt blieben; selbst zwölfjährige Kinder wurden in den Krieg getrieben, und ich sah ganze Herden dieser armen Geschöpfe marschieren, begleitet von ein paar Reitern, das eine Mal unter der Führung eines hannoverischen Feldwebels in rotem Rock, dann wieder geleitet von einem preußischen Unteroffizier; einige dieser Männer kannte und begrüßte mein Begleiter.
«Es verletzt meine Empfindungen», sagte er, «dass ich mit solchem Gesindel verkehren muss, aber der Krieg verlangt streng nach immer neuen Männern, daher diese Rekrutierer,
die, wie Sie sehen, mit Menschenfleisch handeln. Sie bekommen von unserer Regierung fünfundzwanzig Taler für jeden, den sie herbeischaffen. Für gute Männer – Männer wie Sie», setzte er lachend hinzu, «würden wir sogar bis hundert gehen. Zur Zeit des alten Königs hätten wir tausend für Sie gegeben, damals, als er sein Regiment von Riesen 132 hatte, das unser jetziger Monarch aufgelöst hat.»
«Einen von denen, der bei euch gedient hat,», sagte ich, «habe ich getroffen; bei uns hieß er Morgan Prussia.»
«Wirklich?! Und wer war dieser Morgan Prussia?»
«Einer unserer riesigen Grenadiere, den einige unserer Werber irgendwie in Hannover geschnappt haben.»
«Diese Schufte!», sagte mein Freund. «Und haben sie sich auch an Engländer gewagt?»
«Also, der hier war Ire und viel zu gerissen für die Werber, wie Sie gleich hören werden. Morgan wurde geschnappt und in die Lange Garde gesteckt, und unter all den Riesen da war er der größte. Viele dieser Ungetüme haben sich immer über ihr Leben beklagt und über das Auspeitschen und das lange Exerzieren und den geringen Sold, aber Morgan gehörte nicht
zu den Querulanten. ‹Ist doch viel besser›, hat er gesagt, ‹hier in Berlin fett zu werden, als in Tipperary in Fetzen zu verhungern!›»
«Wo ist Tipperary?», fragte mein Gefährte.
«Genau das haben Morgans Freunde ihn auch gefragt. Das ist eine wunderschöne Gegend in Irland, und das prächtige Clonmel ist die Hauptstadt; eine Stadt, kann ich Ihnen sagen, Sir, die nur von Dublin und London übertroffen wird, viel üppiger als alle Städte auf dem Kontinent. Morgan erklärt also, sein Geburtsort ist nah bei dieser Stadt, und das Einzige, was ihm in seiner augenblicklichen Lage Kummer bereitet, ist der Gedanke daran, dass seine Brüder immer noch zu Hause hungern, und dabei könnte es ihnen im Dienst Seiner Majestät so viel besser gehen.
‹Ehrlich›, sagt Morgan zum Feldwebel, dem er diese Mitteilungen gemacht hat, ‹mein Bruder Ben würde einen feinen Feldwebel für die Garde abgeben!›
‹Ist Ben so groß wie du?›, fragt der Feldwebel.
‹So groß wie ich, was? Also, Mann, ich bin der kleinste von meiner Familie! Da gibt’s noch sechs von uns, aber Ben ist der
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