Die Schlucht
biss die Zähne zusammen und beschloss, die Sache zu Ende zu bringen. Sie musste herausfinden, was es mit diesem Tunnel für eine Bewandtnis hatte.
Der Tunnel verlief weiterhin steil nach unten, und Paula nahm an, dass sie mittlerweile ziemlich tief unter dem Black Gorse Moor sein musste. Kein angenehmer Gedanke. Außerdem machte sie sich Sorgen, dass jemand die offene Tunneltür entdeckt haben könnte. Weil sie einem Angreifer von hinten schutzlos ausgeliefert wäre, machte sie immer wieder eine kurze Pause und horchte, ob ihr jemand hinterherkroch.
Sie hörte nichts, aber die absolute Stille in diesem Tunnel war fast noch schlimmer. Trotzdem kroch Paula entschlossen immer weiter.
Irgendwann bog der Tunnel nach rechts ab, und dann plötzlich durchfuhr sie ein grauenvoller Schreck, der ihr durch Mark und Bein ging: Ihre linke Hand tappte auf einmal ins Leere!
Paula ließ sofort den Rucksack los und leuchtete mit der Taschenlampe den Boden des Tunnels ab. Direkt vor ihr tat sich ein Schacht auf, der senkrecht in die Erde hinabführte und in den sie um ein Haar hineingefallen wäre.
Sie leuchtete hinab und erschrak ein weiteres Mal, als sie in drei Metern Tiefe einen Mann sah, der offenbar an einer engen Stelle des Schachts eingeklemmt war. Es war Archie McBlade, dessen Augen geschlossen waren.
»MacBlade!«, rief sie leise.
Er öffnete die Augen und blinzelte ihr zu. Im selben Augenblick hörte sie weit entfernt Stimmen, die seltsam verzerrt klangen. Instinktiv schaltete sie die Taschenlampe aus und wich vom Rand des Tunnels zurück. Trotz der Verzerrung konnte sie eine der Stimmen klar und deutlich erkennen.
»Du weißt, was du bei Tagesanbruch zu tun hast?«, sagte die glasklare Stimme Neville Guiles.
»Aber natürlich. Ich verstehe mein Geschäft«, erwiderte Ned Marsh, ein drahtiger Mann mit Hakennase und Hasenscharte, in heiserem Tonfall.
»Dann wiederhole mir, was ich dir gesagt habe. Und hör auf, so selbstgefällig zu grinsen.«
»Bei Morgengrauen fahre ich den Laster mit dem Schutt und der Erde hierher. Das ganze Zeug kippe ich in den Tunnel. Dann ist dieser Bastard MacBlade für immer verschwunden.«
»Wahrscheinlich ist er ohnehin schon tot«, antwortete Guile, »nach dem Schlag, den du ihm mit deinem Totschläger auf den Hinterkopf verpasst hast. Den Laster fährst du dann wieder hoch an die Straße, die oben am Moor entlang verläuft. So, und jetzt machen wir, dass wir von hier wegkommen.«
Paula hielt den Atem an und wagte es nicht, sich zu bewegen. Erst als sie sicher sein konnte, dass die beiden verschwunden waren, konnte sie endlich ihre Beine strecken, die ihr fast eingeschlafen waren. Dann leuchtete sie mit ihrer Taschenlampe wieder in den Tunnel hinab, in dem MacBlade gefangen war. Er wollte ihr etwas zurufen, brachte aber nur ein Flüstern über die Lippen.
»Ich stecke fest, Paula«, drang es leise aus dem Schacht herauf. »Aber ich traue mich nicht, mich zu bewegen, denn es kann sein, dass ich dann weiter in die Tiefe falle.«
»Halten Sie still«, flüsterte sie zurück. »Ich habe eine Idee.«
Im Rucksack hatte sie ein langes Seil, an dessen Ende sich ein mit Gummi beschichteter Metallhaken befand. Harry Butler hatte es ihr gegeben für den Fall, dass sie einmal über eine Mauer oder in den ersten Stock eines Hauses klettern müsste. Jetzt ließ sie Mac-Blade den Haken nach unten und sagte ihm dann, was er zu tun hatte. Als er verstanden hatte, schlang sie sich das andere Ende des Seils um die Hüften und betete, dass sie stark genug sein würde für das, was nun kam. Dann stemmte sie sich mit beiden Füßen gegen den Tunnelboden und sagte, McBlade solle jetzt anfangen zu klettern.
Das Seil hatte in Abständen von einem Meter dicke Knoten, an denen er sich festhalten und hinaufziehen konnte. Sie hörte ein leises Stöhnen aus dem Schacht, gefolgt von scharrenden Geräuschen, und dann spürte sie, wie Zug auf das Seil kam. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen den Tunnelboden und stellte sich vor, wie MacBlade sich Knoten für Knoten nach oben zog. Während er das tat, hörte Paula, wie lose Gesteinsbrocken von der Schachtwand nach unten polterten.
Mit der Zeit schnitt sich das Seil immer tiefer in ihre Hüften ein, und Paula, die die Zähne aufeinanderbiss und sich mit aller Kraft gegen den Zug stemmte, dankte Gott, dass sie erst vor kurzem ein intensives Fitnesstraining auf dem SIS-Gelände in Surrey absolviert hatte.
Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis MacBlade es
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