Die siebte Maske
»Ich bin von dir enttäuscht, Mike. Von dir und von Phil Capice.«
»Was hat der arme Phil damit zu tun?«
»Das möchte ich ja eben wissen. Was ist dem ›armen Phil‹ zugestoßen? Wer hat so hart zugestoßen?«
»Das habe ich dir gestern abend schon gesagt. Er ist in einer üblen Gegend von einem Rowdy angefallen worden. Der hatte es vermutlich auf seine Brieftasche abgesehen. Hat er dir das nicht gesagt?«
»Doch, ich habe mit ihm gesprochen. Aber ich war mit seiner Geschichte nicht zufrieden. Sie hat große Löcher aufzuweisen. Zum Beispiel der ›Klavierabend‹, zu dem er da gegangen ist.«
»Was ist so seltsam daran? Phil mag Musik.«
»Warum hat ihn Louise nicht begleitet?«
»Vielleicht weil sie Musik nicht so sehr mag.«
»Die beiden gehen nie getrennt irgendwohin«, sagte Bill. »Sie sind anders als die Havens. Und auf einmal kommt Phil mit eingeschlagener Visage nach Hause …«
»Hör mal, Bill –«
Bill schnüffelte hörbar. »Weißt du, was ich rieche? Daß da etwas ausgekocht wird. Eine kleine Verschwörung vielleicht. Phil war dir im Fall Jerrick behilflich –«
»Im Fall Haven, wenn schon«, korrigierte Mike. »Ich habe dir gesagt, ich bin nicht Tony Jerricks Anwalt; das ist Tom Harvey. Ich fungiere lediglich als besonderer Rechtsbeistand für Mrs. Haven.«
»Und sie setzt alles daran, zu beweisen, daß ihr Schatz kein Mörder ist.«
»Er ist weder das eine noch das andere«, stellte Mike fest. »Weder ihr Schatz noch ein Mörder. Bill, davon bin ich mehr denn je überzeugt.«
»Weil du denkst, Haven hat sich das Leben genommen.«
»Ja.«
»Bedeutet das, daß du ein Motiv für einen Selbstmord gefunden hast?«
»Das nicht gerade …«
»Was dann?« fuhr Bill fast verärgert auf. »Warum rennst du immer wieder mit dem Kopf gegen diese Wand, Mike? So ein Dickschädel warst du eigentlich nie …«
»Weil ich etwas habe, wonach ich mich richten kann, Bill. Es ist noch nicht das Motiv, aber es könnte mich hinführen. Es ist ein Fleck auf der weißen Weste des großen Zeitgenossen –«
»Wovon redest du?«
»Erinnerst du dich an meine Bitte, zu kontrollieren, was über einen Mann namens Joachim Fry amtsbekannt ist?«
»Ja. Martha hat in der Kartei nachgesehen, aber du wirst enttäuscht sein. Ich weiß nicht, wofür du den Mann hältst, ein Verbrecher ist er jedenfalls nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Auf dem Papier ist er so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Nichts Nachteiliges ist über ihn bekannt. Keine Festnahmen, keine Vorstrafen. In unserer Kartei ist er gar nicht vertreten. Martha mußte – und das war klug von ihr – Ken Emerson in der Redaktion der ›News‹ anrufen, um überhaupt etwas zu erfahren. Der hat einiges aus dem Archiv ausgegraben und herübergeschickt.«
»Darf ich es sehen?«
»Noch nicht«, sagte Bill gewitzt. »Nicht, solange du mich nicht einweihst.«
»Bill, ich kann dir noch nicht alle Fakten geben, weil ich sie selbst noch nicht kenne. Und ich möchte keine Beschuldigungen erheben, die ich vor Gericht nicht vertreten kann.«
»Juristen!« seufzte Bill.
»Ich kann dir nur so viel verraten, und zwar dir als Freund, nicht dir als Polizeibeamten –«
»Aha, wer nimmt sich da schon wieder Privilegien heraus?«
»Bill, es muß so sein.«
»Na schön«, meinte der Polizeichef. »Wir wollen nicht darüber streiten. Was hast du herausgefunden?«
»Nur eines. Walter Haven wurde erpreßt.«
Bill regte sich nicht weiter darüber auf.
»Aha. Und wer ist der Erpresser? Fry?«
»Möglicherweise.«
»Weich mir nicht aus – von wegen ›Freund‹!«
Mike setzte ein dünnes Lächeln auf. »Also gut. Wahrscheinlich. Ich glaube, Fry hatte Walter Haven irgendwie in der Hand und mußte mit Geld zum Schweigen gebracht werden.«
»Handelte es sich um etwas so Einschneidendes, daß Haven deshalb Selbstmord beging?«
»Vielleicht ist das die Antwort.«
»Hm. Und wenn du weißt, daß Fry ein Erpresser ist, warum läßt du uns dann nicht gegen ihn vorgehen?«
»Vor allem, weil es dir schwerfallen dürfte, ihm etwas nachzuweisen. Ich habe selbst keine konkreten Beweise. Und es wird kaum möglich sein, seine Opfer zum Reden zu veranlassen.«
»Hast du gesagt, ›seine Opfer‹? Mehrzahl?«
»Ja.« Mike nickte. »Haven war nicht das einzige Opfer. Fry hat eine ganze Menge davon – frag mich nicht, wie er das angestellt hat.«
»Und wie hast du davon erfahren?«
Mike blickte ihn gequält an. »Bill, das ist eben der Punkt, wo ich passen
Weitere Kostenlose Bücher